Maggie O´Dell 02 - Das Grauen
Obsession.
„Und wie kommt es, dass du Maggie nicht angerufen hast oder zu ihr gefahren bist?“
„Zum einen, weil ich erst vor wenigen Tagen erfahren habe, dass sie in Scheidung lebt.“
„Vor wenigen Tagen heißt, sie war mit in Kansas City?“
„Ja, war sie. Sie hielt dort einen Vortrag.“
„Und?“
„Nichts und.“
Will bemerkte, wie frustriert und gereizt Nick war. Ja, er benahm sich schon wieder eigenartig.
„Aber du hast sie gesehen, oder? Und du hast mit ihr gesprochen?“
„Ja, wir haben einige Stunden damit verbracht, Abfall zu durchwühlen.“
„Wie bitte? Ist das eine neue Bezeichnung für das Vorspiel?“
„Ist es nicht!“ gab Nick heftig zurück, plötzlich nicht mehr in der Stimmung für Wills Humor. „Komm, lass uns wieder an die Arbeit gehen.“
Nick stand auf, richtete sich die schief sitzende Krawatte, knöpfte sein Jackett zu und deutete damit das Ende der Unterhaltung an. Will ignorierte das.
„Klingt, als wäre Maggie für dich das, was Tess für mich ist.“
„Was soll denn das nun wieder heißen?“ Nick warf ihm einen tadelnden Blick zu, und Will wusste, er hatte Recht.
„Diese Maggie macht dich genauso verrückt, wie Tess mich verrückt macht. Vielleicht sollten wir zusammen nach Newburgh Heights fahren.“
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36. KAPITEL
Maggie stellte erstaunt fest, dass Agent Tully es geschafft hatte, ihr altes Büro kleiner aussehen zu lassen, als es war. Bücher, die nicht in das schmale, deckenhohe Regal passten, lagen gestapelt in der Ecke. Ein Besucherstuhl war unter Bergen von Zeitungen verborgen. Der Eingangskorb für wichtige Unterlagen wurde von einem Haufen schräg liegender Dokumente und Aktenordner erdrückt. Ketten aus Büroklammern lagen an den unmöglichsten Stellen herum. Ketten aufziehen war offenbar ein nervöser Tick dieses Mannes, der ständig seine Finger beschäftigen musste. Ein einsamer Kaffeebecher stand auf einem Stapel Notizblöcken und Computerhandbüchern. Hinter der Tür, wo andere Leute Trenchcoat oder Regenkleidung aufhängten, lugten graue Trainingssachen hervor.
Das Einzige, was sich im Büro ein wenig hervorhob, war ein Foto im einfachen Holzrahmen auf der ihm zu Ehren freigeräumten rechten Ecke des Schreibtisches. Maggie erkannte Agent Tully sofort, obwohl die Aufnahme schon einige Jahre alt sein musste. Das kleine blonde Mädchen hatte seine dunklen Augen geerbt, sah aber ansonsten wie die Miniversion ihrer Mutter aus. Die drei wirkten richtig glücklich.
Maggie widerstand dem Drang, genauer hinzusehen, als würde sie dadurch deren Geheimnisse aufdecken. Wie mochte das sein, sich so rundum glücklich zu fühlen? Hatte sie diese Art Glück jemals empfunden, nur für einen kurzen Moment? Etwas sagte ihr,dass auch für Agent Tully die Tage des Glücks vorüber waren. Nicht dass sie es genau wissen wollte.
Sie hatte schon seit Jahren nicht mehr mit einem Partner gearbeitet. Dass Cunningham die Zusammenarbeit zur Bedingung für ihre Rückkehr gemacht hatte, war ärgerlich genug. Es kam ihr wie eine Strafe für den einzigen dummen Fehler vor, den sie in ihrer Laufbahn gemacht hatte ... als sie allein in dieses Lagerhaus in Miami gegangen war, in dem Stucky sie erwartet hatte.
Okay, sie wusste natürlich, dass Cunningham es teilweise aus Fürsorge tat. Agenten arbeiteten zum eigenen Schutz gewöhnlich zu zweit. Profiler jedoch arbeiteten allein, und sie hatte sich an das Einzelgängertum gewöhnt. Turner und Delaney ständig um sich zu haben war lähmend genug gewesen. Natürlich würde sie sich an Cunninghams Regeln halten, doch manchmal vergaßen selbst die besten Agenten und die engsten Partner, ein Detail mitzuteilen.
Agent Tully kam mit zwei Kartons herein, die so gestapelt waren, dass er seitlich an ihnen vorbeischauen musste. Maggie half ihm, eine freie Stelle zu finden, um sie abzuladen.
„Ich denke, das sind die letzten Ordner zu den alten Fällen.“
Sie wollte schon bemerken, dass alle Kopien, die sie für sich gemacht hatte, bequem in einen Karton passten, unterließ es jedoch. Ebenso verkniff sie sich den wohlgemeinten Hinweis, dass ein wenig Organisation das Leben erleichterte, da sie zu begierig war zu lesen, was den Akten in den letzten fünf Monaten hinzugefügt worden war. Sie trat zurück und gestattete Agent Tully, in dem Durcheinander zu suchen.
„Darf ich die neueste Akte sehen?“
„Die über das Liefermädchen liegt auf meinem Schreibtisch.“ Er sprang aus der Hocke neben den Kartons auf und sah rasch
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