Magic Girls 04 - Gefangen in der Unterwelt
wahrnehmen, bevor sich das Wesen duckte oder die Lider schloss. Die Erkenntnis, heimlich belauert zu werden, war furchtbar, aber Miranda ließ das Grauen nicht an sich heran. Sie hatte keine Ahnung, wer sich da versteckte und was die Kreaturen beabsichtigten, aber sie wurde immer wütender, sie fühlte sich so ausgeliefert! Schließlich hielt sie es nicht mehr aus.
»Zeigt euch schon, ihr Feiglinge!«, rief sie und riss sich abermals von Mafaldus los.
Mafaldus blieb stehen und blickte sie überrascht an. »Was tust du da?«
Doch da keuchte und schnaufte es schon ringsum. Zweige knackten, Pfoten trippelten über den Boden, es knisterte und raschelte. Und dann kamen die Kreaturen aus ihren Verstecken: riesige Ratten mit feurigen Augen, die auf ihren Hinterpfoten hockten, sich den Schnurrbart zwirbelten und Miranda beäugten; metergroße Spinnen, die nicht nur acht, sondern sogar sechzehn haarige Beine hatten; giftgrüne Vipern, die sich züngelnd um das Wurzelwerk schlängelten, das von der Decke herabhing … Manche ließen sich mit dem Kopfende weit herunter, so als wollten sie Mafaldus und Miranda berühren.
Miranda starrte auf eine Schlange, die nur wenige Zentimeter von ihrer Nasenspitze entfernt war, und blickte in zwei fast menschliche Augen, die ihr verschwörerisch zuzwinkerten.
Miranda war irritiert. Die Schlange zwinkerte wieder.
Vertrau mir!
Täuschte sie sich oder hatte Miranda tatsächlich die Stimme der Schlange in ihrem Kopf gehört?
»Das sind die Seelen, die noch nicht wissen, was mit ihnen geschieht«, murmelte Mafaldus, der von der stummen Kommunikation zwischen Miranda und der Schlange nichts mitbekommen hatte. »Deswegen dienen sie dem Meister der Dunkelheit als Beobachter.«
»Ich habe keine Angst vor ihnen«, erklärte Miranda mit fester Stimme, denn sie hatte mit einem Mal das Gefühl, in der Schlange eine Verbündete gefunden zu haben, die ihr vielleicht helfen konnte. Sie griff nach dem Reptil, das ihr so vertrauensvoll zugeblinzelt hatte, ließ es über ihre Arme gleiten und legte sich das Tier um den Hals.
Da geschah etwas Seltsames. Miranda fühlte sich plötzlich stark. Sie spürte die mächtige Schlangenmagie, die nur darauf wartete, sich mit Mirandas Hexenkraft zu verbünden. Das war ihre Chance!
Sie dachte blitzschnell an alles, was sie über
Metamorphose
wusste, konzentrierte sich, riss die Arme hoch und verwandelte sich in eine weiße Taube. Ehe Mafaldus Horus reagieren konnte, stieß sie sich vom Boden ab und flatterte zum Fluss, gewann an Höhe und flog. Sie wusste, dass es um ihr Leben ging und dass es keine zweite Gelegenheit zur Flucht geben würde. Verzweifelt schlug sie mit den Flügeln und spürte, wie die Schwingen sie trugen. Schon hatte sie den halben Fluss überquert, das andere Ufer kam näher und näher … Es waren nur noch wenige Meter bis dorthin. Auf einmal nahm Miranda hinter sich einen Schatten wahr. Ein Falke schoss durch die Luft. Miranda strengte sich noch mehr an, flog schneller und schneller. Sie hatte fast das rettende Ufer erreicht, als die Klauen des Falken sie streiften. Miranda ließ sich fallen. Doch vergebens. Die Klauen griffen wieder zu, sie spürte, wie sie sich in ihre Schultern bohrten. Vor lauter Angst setzte fast ihr Herzschlag aus. Sie flatterte, doch jetzt hatte der Falke sie fest im Griff, und die Taubenflügel waren nutzlos. Sie war seine Beute.
Noch immer befanden sie sich in der Luft. Unter ihnen war das Ufer der Lebenden, aber der Falke machte kehrt und flog über den Fluss zurück. Miranda konnte nichts dagegen tun. Hilflos hing sie in seinen Fängen und war ihm wehrlos ausgeliefert. Sie wusste, dass sie verloren war.
Jetzt hatte der Falke das andere Ufer erreicht und landete mit seiner Beute. Miranda schlug hart auf dem Boden auf und spürte im gleichen Moment, dass sie ihre Tiergestalt ablegte. Einen Augenblick lang verlor sie das Bewusstsein. Als sie Sekunden später zu sich kam, lag sie auf dem Rücken. Mafaldus Horus kniete über ihr und presste ihre Arme auf die Erde. Sie sah den kalten Zorn in seinen Augen, aber sie hielt seinem Blick stand.
Völlig unerwartet ließ er sie los und richtete sich auf.
»Respekt«, sagte er. »Du bist sehr mutig. Aber es wäre klüger, wenn du das nicht noch einmal versuchen würdest. Du siehst ja, dass du gegen mich keine Chance hast.«
Sie blieb reglos liegen, ohne einen Ton zu sagen. Mafaldus klopfte den Staub von seinem Gewand.
»Steh auf«, sagte er dann, reichte ihr die Hand
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