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Magical Mystery oder: Die Rückkehr des Karl Schmidt

Magical Mystery oder: Die Rückkehr des Karl Schmidt

Titel: Magical Mystery oder: Die Rückkehr des Karl Schmidt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Regener
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Lüneburger Heide nach einem Tag voller Sport und Wassertreten und
frischer Luft und dem ganzen Scheiß erwarten würde, nein, eine solche
Müdigkeit war es nicht gewesen am Freitagabend beim außerordentlichen Plenum,
es war die andere Müdigkeit gewesen, die dunkle Müdigkeit, die so sehr den
ganzen Körper im Griff hat, dass der Gedanke, sie mit Schlaf zu kurieren,
lächerlich ist, als wolle man Hautkrebs mit Sonnencreme heilen oder was weiß
ich, mit was man das vergleichen soll, eine Müdigkeit, die so überwältigend
war, dass der Gedanke an den Tod keine Angst mehr machte, das war vielleicht
das einzig Gute daran, wenn man sowas gut findet, es hat ja auch nicht jeder
Angst vor dem Tod oder vielleicht doch, keine Ahnung, beim Plenum saß ich
jedenfalls da und kämpfte dagegen an, saß also da mit weit aufgerissenen Augen
und zugleich gesenktem Kopf, damit die anderen nichts mitkriegten, aber
Werner, der alte Fuchs, kriegte natürlich doch was mit und schreckte mich mit
seinen blöden Fragen immer wieder auf und ich hatte es immerhin durch das
Plenum geschafft, ohne dass er mich auf irgendwas festnageln konnte, »Man wird ja
wohl noch müde sein dürfen!« ist zwar nicht die beste Ausrede der Welt, aber
ich kam gerade noch so damit durch, es war ja auch noch nicht die volle Lotte
gewesen, sondern nur die halbe Miete der dunklen Müdigkeit, so wie ich jetzt, am Morgen
danach, das dunkle Gefühl nicht direkt über mir, sondern nur in der Ecke des
Zimmers verspürte, und ich spielte einige Zeit mit dem Gedanken, doch wieder
mit den Pillen anzufangen, ich hatte ja eine Notfallpackung immer in der Nähe,
eine in der einen Jacke, eine in der anderen Jacke, eine im Regal, eine im
Nachttisch, aber das Gute oder Schlechte war, je nachdem, wie man es anschaute,
dass die sowieso nicht gleich wirkten, dass also auch von ihnen keine schnelle
Hilfe zu erwarten war, da konnte man genausogut noch ein bisschen damit warten
und schauen, ob es nicht von selber wieder wegging, das dunkle Gefühl, etwas
schnell Helfendes, ein schönes Hallowach, irgendeinen Kickstarter in Pillenform
hatte mir keiner für diesen Fall verschrieben, da trauten sie einem nicht,
hätte ich auch nicht gemacht an deren Stelle, und ich lag also am Samstagmorgen
da und wusste, dass ich höchstens noch zehn Minuten hatte, bevor einer kommen
würde um zu gucken, warum ich nicht beim Frühstück war, denn es war schon die
Zeit für das samstägliche gemeinsame Frühstück, bei dem Werner noch dabei sein
wollte, bevor um Punkt elf dann Gudrun kommen und ihn ablösen sollte, und ich
lag also da und wusste natürlich, dass mir das alles nichts mehr brachte, das
gemeinsame Frühstück, die Plenums oder Plena oder was weiß ich, die Arbeit,
Werner, die anderen, das war alles sinnlos, trostlos, zwecklos, das war deren Ding und ich war, wenn ich richtig überlegte, einfach und ganz und gar und
vollständig und ohne Einschränkung einsam, es gab in Altona und
Othmarschen keinen, der mich nicht mit anderen Augen sah als ich selbst, ich
war Fürsorgefleisch für Werner und Gudrun, arroganter Sack für Klaus-Dieter,
Henning und Astrid, Hiwi-Trottel für das Kinderkurheim Elbauen, Multitox-Wrack
für den Gutachter von der Krankenkasse, Pillenjunkie für Dr. Selge und
gescheitertes Kind für meine Mutter, und umgekehrt konnte ich mit diesen Leuten
auch nichts anfangen, es waren ja alles Idioten, so dachte ich jedenfalls in
diesem Moment, obwohl ich wusste, dass das jetzt undankbar war, weil sie mich
letzten Endes alle zusammen gerettet hatten vor genau diesem dunklen Gefühl,
das jetzt wieder in meinem Zimmer hockte und darauf wartete, dass ich das
Falsche tat, und das mit ihnen, den anderen also, überhaupt nichts zu tun
hatte, dessen Ursprung ganz woanders lag, aber ohne Zusammenhang hin,
undankbar her, daran, dass Jimmy und Johnny meine einzigen Freunde in diesem
Leben hier waren, änderte das gar nichts, und wer Jimmy und Johnny als Freunde
hat, hat nicht viel, eine Handvoll Mehlwürmer und weg sind sie, und mir wurde,
während ich dort lag, elender und elender und das dunkle Gefühl kam näher und
näher und ich kramte schon im Nachtschränkchen, einem wackeligen Schrott aus
dem Sozialamtsmöbellager, um die verdammten Pillen zu finden, da hatte sich
einiges an Krimskrams und Büchern und sonstwas angestaut in dem scheiß
Nachtschränkchen, da war ein kleiner Streifen Pillen schnell mal unauffindbar,
jedenfalls erwischte ich mich dabei, wie ich schon nach den Pillen

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