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Magical Mystery oder: Die Rückkehr des Karl Schmidt

Magical Mystery oder: Die Rückkehr des Karl Schmidt

Titel: Magical Mystery oder: Die Rückkehr des Karl Schmidt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Regener
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wenigstens was Dramatisches, ansonsten war
alles grau, innen wie außen, und ich hatte vor dem Weckruf dagelegen und mir
nicht vorstellen können, jemals aufzustehen, aber liegenbleiben war auch die Hölle
und da war das Telefon mit seinem automatischen Weckruf natürlich eine
Erlösung, es zwang einen zum Aufstehen und man musste trotzdem mit keinem
reden, nur eine Stimme vom Band wünschte einem einen guten Morgen, das hatte
die nötige zwischenmenschliche Kälte und wenn man erstmal stand, war das ja
schon die halbe Miete. Ich duschte und zog mich mechanisch an, manchmal ist
Routine die letzte Rettung, »Zur Not einfach weitermachen!«, auch das war eine
von Werners Weisheiten und nicht die schlechteste.
    Ich ging
runter zum Frühstücksraum und aß was, obwohl ich keinen Hunger hatte. Sie
hatten ein Buffet mit Kram und Mampf, ich nahm mir irgendwelche blassen
Wurst- und Käsescheiben und graues Brot und Butter und was weiß ich was, daraus
bastelte ich mir ein Sandwich, das ich mit Tee runterspülte. Ein paar
Salatblätter waren als Garnitur auf den Wurst- und Käseplatten drapiert, die
nahm ich beim Rausgehen für die Meerschweinchen mit.
    Als ich
die Seitentür vom
Auto öffnete, begrüßten mich Lolek und Bolek mit einem Zwitschern. Im ganzen
Auto müffelte es nach Kinderzoo. Ich öffnete ihre Plastikbox und nahm sie beide
heraus, das war gar nicht so einfach, die Biester streckten die Beine von sich
und waren kaum durch die Öffnung zu kriegen. Ich setzte sie auf meinen Schoß
und gab ihnen die Salatblätter. Sie mümmelten sie weg wie nichts, während ich
sie ein bisschen streichelte. Dann nahm ich sie nacheinander hoch und checkte
sie durch, so wie ich es von Herrn Munte bei den Kaninchen gelernt hatte, kurz
bevor er ins Gras gebissen hatte, ich prüfte ihre Augen, ihre Krallen und ihr
Fell, sie sahen ganz gesund aus, aber auf Dauer war der Käfig natürlich viel
zu klein und jetzt auch total verdreckt, ich musste was Größeres finden und Heu
und Streu und Trockenfutter und Gemüse und all das besorgen, das war schon mal
gut, da war schon mal was zu tun. Als ich sie wieder unter dem Sitz verstaut
hatte, ging es mir besser und ich konnte zum Club fahren.
    Mit
Hilfe des
Stadtplans fand ich meinen Weg in die kleine Straße, in der der Club lag, und
bei Tageslicht erkannte ich die Gegend auch besser wieder, das war altes
Frankie-Lehmann-Terrain, das war fünfzehn Jahre her, und einerseits
freute ich mich über die schöne Erinnerung, andererseits aber wollte ich
eigentlich lieber nicht daran denken, weil da so viel dranhing, Frankie vor
allem, aber auch Freddie, sein Bruder, die Kunst, die ganzen Hoffnungen damals
und was für ein komischer Freak Frankie gewesen war, viel komischer als ich und
ich war schon komisch gewesen und alles hatte irgendwie viel größer und
bedeutender ausgesehen, als wir hier angekommen waren damals, Freddie und ich,
weil Freddie irgendeine Ausstellung in einem Bremer Krankenhaus machen sollte
und das mal vorchecken wollte und ich immer hinter Freddie her, der war mein
anderes großes Vorbild gewesen, noch vor Schlumheimer oder jedenfalls
gleichauf, so zu sein wie Freddie, mehr hatte ich eigentlich nie gewollt, aber
am Ende hatte es nicht gereicht, für mich nicht und für Freddie auch nicht,
Freddie ist ja auch nie wie Freddie gewesen, jedenfalls nicht wie der Freddie,
den ich in ihm gesehen hatte, aber das hatte ich erst viel später kapiert und
das letzte, was ich von ihm gehört hatte, war, dass er in New York Heizungen
repariert, und da lobe ich mir doch Schlumheimer, der ist wenigstens tot, da
brennt nichts mehr an, der wird immer das bleiben, was er in meinen Augen war,
das ist beruhigend, dachte ich, als ich nun doch an all das dachte und aus dem
Auto stieg, das ich recht und schlecht hundert Meter vom Club entfernt
eingeparkt hatte, das macht den Gedanken an den Tod irgendwie leichter, dass
dann wenigstens nichts mehr schiefgehen kann, dachte ich, als ich auf den Club
zustiefelte, Schlumheimer hatte rechtzeitig ausgecheckt und also auch in dieser
Hinsicht alles richtig gemacht, wie überhaupt immer.
    Die Tür
zum Club war
geschlossen und kein Lebenszeichen drang nach außen. Ich glaubte aber, wenn
ich genau hinhörte,
ein ganz leises Bummbumm zu hören, eigentlich war es nicht mal zu hören, nur
in den Fußspitzen zu fühlen, aber so wie ich drauf war mit den nekrophilen
Schlumheimergedanken und dem ganzen sentimentalen Quatsch mit Freddie und
Frankie, war das vielleicht

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