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Magical Mystery

Magical Mystery

Titel: Magical Mystery Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Regener
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mir nicht vorstellen können, jemals aufzustehen, aber liegenbleiben war auch die Hölle und da war das Telefon mit seinem automatischen Weckruf natürlich eine Erlösung, es zwang einen zum Aufstehen und man musste trotzdem mit keinem reden, nur eine Stimme vom Band wünschte einem einen guten Morgen, das hatte die nötige zwischenmenschliche Kälte und wenn man erstmal stand, war das ja schon die halbe Miete. Ich duschte und zog mich mechanisch an, manchmal ist Routine die letzte Rettung, »Zur Not einfach weitermachen!«, auch das war eine von Werners Weisheiten und nicht die schlechteste.
    Ich ging runter zum Frühstücksraum und aß was, obwohl ich keinen Hunger hatte. Sie hatten ein Buffet mit Kram und Mampf, ich nahm mir irgendwelche blassen Wurst- und Käsescheiben und graues Brot und Butter und was weiß ich was, daraus bastelte ich mir ein Sandwich, das ich mit Tee runterspülte. Ein paar Salatblätter waren als Garnitur auf den Wurst- und Käseplatten drapiert, die nahm ich beim Rausgehen für die Meerschweinchen mit.
    Als ich die Seitentür vom Auto öffnete, begrüßten mich Lolek und Bolek mit einem Zwitschern. Im ganzen Auto müffelte es nach Kinderzoo. Ich öffnete ihre Plastikbox und nahm sie beide heraus, das war gar nicht so einfach, die Biester streckten die Beine von sich und waren kaum durch die Öffnung zu kriegen. Ich setzte sie auf meinen Schoß und gab ihnen die Salatblätter. Sie mümmelten sie weg wie nichts, während ich sie ein bisschen streichelte. Dann nahm ich sie nacheinander hoch und checkte sie durch, so wie ich es von Herrn Munte bei den Kaninchen gelernt hatte, kurz bevor er ins Gras gebissen hatte, ich prüfte ihre Augen, ihre Krallen und ihr Fell, sie sahen ganz gesund aus, aber auf Dauer war der Käfig natürlich viel zu klein und jetzt auch total verdreckt, ich musste was Größeres finden und Heu und Streu und Trockenfutter und Gemüse und all das besorgen, das war schon mal gut, da war schon mal was zu tun. Als ich sie wieder unter dem Sitz verstaut hatte, ging es mir besser und ich konnte zum Club fahren.
    Mit Hilfe des Stadtplans fand ich meinen Weg in die kleine Straße, in der der Club lag, und bei Tageslicht erkannte ich die Gegend auch besser wieder, das war altes Frankie-Lehmann-Terrain, das war fünfzehn Jahre her, und einerseits freute ich mich über die schöne Erinnerung, andererseits aber wollte ich eigentlich lieber nicht daran denken, weil da so viel dranhing, Frankie vor allem, aber auch Freddie, sein Bruder, die Kunst, die ganzen Hoffnungen damals und was für ein komischer Freak Frankie gewesen war, viel komischer als ich und ich war schon komisch gewesen und alles hatte irgendwie viel größer und bedeutender ausgesehen, als wir hier angekommen waren damals, Freddie und ich, weil Freddie irgendeine Ausstellung in einem Bremer Krankenhaus machen sollte und das mal vorchecken wollte und ich immer hinter Freddie her, der war mein anderes großes Vorbild gewesen, noch vor Schlumheimer oder jedenfalls gleichauf, so zu sein wie Freddie, mehr hatte ich eigentlich nie gewollt, aber am Ende hatte es nicht gereicht, für mich nicht und für Freddie auch nicht, Freddie ist ja auch nie wie Freddie gewesen, jedenfalls nicht wie der Freddie, den ich in ihm gesehen hatte, aber das hatte ich erst viel später kapiert und das letzte, was ich von ihm gehört hatte, war, dass er in New York Heizungen repariert, und da lobe ich mir doch Schlumheimer, der ist wenigstens tot, da brennt nichts mehr an, der wird immer das bleiben, was er in meinen Augen war, das ist beruhigend, dachte ich, als ich nun doch an all das dachte und aus dem Auto stieg, das ich recht und schlecht hundert Meter vom Club entfernt eingeparkt hatte, das macht den Gedanken an den Tod irgendwie leichter, dass dann wenigstens nichts mehr schiefgehen kann, dachte ich, als ich auf den Club zustiefelte, Schlumheimer hatte rechtzeitig ausgecheckt und also auch in dieser Hinsicht alles richtig gemacht, wie überhaupt immer.
    Die Tür zum Club war geschlossen und kein Lebenszeichen drang nach außen. Ich glaubte aber, wenn ich genau hinhörte, ein ganz leises Bummbumm zu hören, eigentlich war es nicht mal zu hören, nur in den Fußspitzen zu fühlen, aber so wie ich drauf war mit den nekrophilen Schlumheimergedanken und dem ganzen sentimentalen Quatsch mit Freddie und Frankie, war das vielleicht bloß Einbildung und damit schon der Vorbote von was Schlimmerem, erst kommt das dunkle Gefühl, dann sentimental

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