Magical Village 1 Zimt und Zauber
verschrammtes Buch aus den Tiefen der Kiste. »Ist das ein Tagebuch? Womöglich Urgroßmutter Westwards geheime Geständnisse? Vielleicht hatte sie einen Liebhaber von königlichem Geblüt oder irgendeinen anderen saftigen Skandal in ihrem Leben.«
»Das glaube ich nicht.« Mitzi scheuchte Richard und Judy aus der Kiste und nahm Lulu das Buch ab. »Sie war zwar allen Gerüchten zufolge ein ziemlich wilder Feger, und es gab eine oder zwei obskure Geschichten über sie, aber – Mensch!«
»Was?« Lulu hörte auf, die Katzen zu streicheln, und blickte über Mitzis Schulter. »Was ist denn? Stehst du an neunzigster Stelle der Thronfolge oder was?«
Mitzi grinste. »Es ist überhaupt kein Tagebuch voller schlüpfriger Geheimnisse. Es ist ein Kochbuch, vermutlich mit all ihren selbsterdachten Gerichten. Schau nur, die Rezepte sind alle handgeschrieben und haben seltsame Namen.«
»Also nützen sie dir nichts«, spöttelte Lulu. »Du kannst doch nur Fertiggerichte warm machen und Tiefkühlpizzen auftauen.«
Mitzi nickte schuldbewusst. Die Gabe der Kochkunst war an ihr vorübergegangen. Wie die meisten hatte sie sich davon anregen lassen, dass bei Jamie Oliver und Nigella Lawson alles so kinderleicht aussah, und sich sämtliche Kochbücher der beiden Fernsehstars gekauft. Nun standen sie unberührt in Reih und Glied auf dem Regal in der Küche. Die Rezepte klangen köstlich, und die Fotos sahen zum Anbeißen aus, doch wenn es darum ging, tatsächlich etwas davon nachzukochen, kniff Mitzi.
»Ich könnte es lernen«, meinte Mitzi und blätterte vorsichtig die brüchigen, leicht vergilbten und mit dunkelblauer Schnörkelschrift bedeckten Seiten um. »Jetzt habe ich ja massenhaft Zeit, und eigentlich müsste ich auch endlich mal richtig kochen lernen. Ich könnte mit den Rezepten hier anfangen – schließlich stammen sie aus meiner eigenen Familie …« Sie grinste Lulu an. »Ich weiß was – ich übe ein bisschen, und dann lade ich dich und Doll ein, und ihr könnt euer Urteil abgeben. Wir könnten zu Ehren von Granny Westward ein Frauenessen veranstalten.«
»Ja, genau.« Lulu sah skeptisch drein. »Ich bringe den Alka-Seltzer mit und halte die Nummer vom Pizza-Express bereit. Guter Gott – das kannst du nicht kochen, ich kenne ja nicht einmal die Namen der Zutaten. Was in aller Welt sind denn Paradieskörner? Und ich wette, dass es im Supermarkt auch keine Hiobstränen gibt.«
»Hmmm …« Mitzi fuhr mit dem Finger die Zutatenliste entlang. »Vielleicht hast du recht – aber Granatäpfel, Löwenzahn, Sonnenblumenkerne und Walnüsse gibt es.«
»Das ist Hamsterfutter«, kicherte Lulu. »Granny Westward hat sich einen Spaß erlaubt.«
»Nein, das glaube ich nicht – ich glaube, das sind alles alte Namen für Kräuter und Gartenpflanzen und dergleichen. Ich schlage sie nach und versuche, moderne Entsprechungen zu finden.« Auf einmal war Mitzi Feuer und Flamme. Endlich etwas, in das sie sich verbeißen konnte – und zwar im doppelten Wortsinn. »Man weiß ja nie, vielleicht schlummert in mir ein verborgenes Talent fürs Nachkochen dieser alten Gerichte.«
Lu verzog das Gesicht. »Oder du erwirbst dir einen neuen Ruf als Giftmischerin von Hazy Hassocks. Granny Westward
war nicht zufällig ein altes Weiblein mit Hakennase, Warzen im Gesicht und einem großen Kupferkessel, oder?«
»Gott bewahre.« Mitzi lachte. »Granny Westward war eine ganz bodenständige Seele und hat in einer ruhigen Sackgasse in einem sozial geförderten kleinen Reihenhaus in Hermitage gewohnt – sie war keine Hexe mit fliegendem Besen! Und wir müssen unbedingt mit dem hier anfangen, Lu. Sieh nur, wie es heißt …«
»Wünsch-dir-was-Auflauf«, las Lulu über die Schulter ihrer Mutter. »Ja, gut, davon könnten wir alle eine Portion vertragen.«
»Genau.« Mitzi schloss das Buch und erhob sich. »Dann gibt es Wünsch-dir-was-Auflauf. Nächsten Freitagabend. Nur für uns drei. Ich halte mich genau an das Rezept, dann sehen wir ja, was passiert.«
Lulu sammelte Richard und Judy auf und erhob sich. »Okay, aber wir müssen alle das alte Sprichwort beherzigen: Pass auf, was du dir wünschst, es könnte in Erfüllung gehen.«
Mitzi lachte, während sie die Leiter hinunterstieg. Wenn sie es schaffte, nächsten Freitag den Wünsch-dir-was-Auflauf zuzubereiten, ohne das Haus in Brand zu stecken, wäre sie schon überglücklich.
4. Kapitel
Wünsch-dir-was-Auflauf
Eine gute Handvoll Sonnenblumenkerne
Eine Mörserfüllung zerstoßene
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