Magical Village 1 Zimt und Zauber
Gewohnheit und Angst vor dem Unbekannten zusammengeblieben waren.
Doll ging eilig durch die Diele und in ihr eiskaltes Schlafzimmer, tauschte ihre Praxiskluft gegen Jeans und Pullover und lief wieder zurück. Sie machte ihm eine Tasse Tee und Bohnen auf Toast und trug das Tablett ins Wohnzimmer.
»Brett … Brett … wach auf. Ich hab dir Abendessen gemacht.«
Endlich regte er sich und blinzelte sie an. »Was? Oh, ich muss wohl eingenickt sein.« Er richtete sich auf und nahm das Tablett. »Danke. Und wo ist deines?«
»Ich gehe doch zu Mum, schon vergessen? Sie kocht heute für Lulu und mich. Eine Art Frauenabend.«
Brett machte sich über seine Bohnen auf Toast her, ohne aufzusehen. »Ach so. Okay. Dann bin ich wahrscheinlich schon im Bett, wenn du kommst.«
Im Bett und im Tiefschlaf, dachte Doll traurig. Wie immer. Sie sehnte sich nach einem Kind, doch dafür musste man Sex haben, und wenn man Sex haben wollte, war es hilfreich, wenn beide zur gleichen Zeit wach waren.
Als sie am Haus ihrer Mutter vorfuhr, erwartete sie schon fast, ein Feuerwehrauto oder einen Krankenwagen vor dem Haus stehen zu sehen. Es war unvorstellbar, dass Mitzi ein ganzes Essen kochte, ohne irgendetwas in Brand zu stecken oder sich beim Abschmecken ihres dubiosen Allerleis zu vergiften.
»In der Küche, Doll!«, rief Mitzi. »Komm einfach rein, Schätzchen.«
»Guter Gott!«
Doll schnupperte die Dämpfe, die aus dem Herd stiegen – fremdartige, aromatische Kräuter und Gewürze, die einen von exotischen Düften geschwängerten Dunst erzeugten, der durch die ganze Küche waberte -, zwinkerte ihrer Mutter zu und musterte erst dann das Chaos.
Mitzi hatte sich ein Geschirrtuch um die Hüften gebunden und die Ärmel aufgerollt. Ihr Gesicht war gerötet, und ihre Haare standen wirr vom Kopf ab. Die Küche sah noch beängstigender aus. Kein Fleck der Arbeitsfläche war mehr frei, kein Topf, keine Pfanne und kein Löffel schien unbenutzt geblieben zu sein. Überall waren Haufen getrockneter Blätter, unidentifizierbare Klumpen von irgendetwas Organischem und kleine Schälchen mit merkwürdig riechenden Pasten. Töpfe blubberten munter auf dem Herd vor sich hin, der Backofen strahlte seine Hitze ab, und Richard und Judy spähten nervös über den Rand des Wäschekorbs.
Doll streichelte ihre grauen Köpfe und verkniff sich das Lachen. »Ähm – wie läuft’s denn?«
»Super, Schätzchen. Ganz super.« Mitzi blies sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht und sah in das alte Rezeptbuch. »Ich begreife gar nicht, warum ich bisher nicht kochen konnte. Es ist ja kinderleicht.«
Mit wachsender Unruhe betrachtete Doll die Zutaten: Bambussprossen, Ginseng, Granatapfel, Salbei, Sonnenblumenkerne und Walnüsse kannte sie, andere Dinge nicht. »Äh – wird das eine Art Suppe?«
Mitzi schüttelte den Kopf. »Nein, Schätzchen. Es ist ein Auflauf. Ein Wünsch-dir-was-Auflauf – serviert mit frischem grünem Gemüse, denn laut Granny Westwards Aufzeichnungen bringt Grün Glück, und mit Kartoffelbrei, weil ein
weißes Gemüse für dauerhafte Freude dabei sein muss. Lu hatte natürlich recht; ich habe nicht alles im Supermarkt bekommen, aber Herbie’s Healthfoods war sehr hilfreich – und für Sachen wie den Amberbaumsirup und die Tonkabohnen habe ich mit ein paar Ersatzzutaten improvisiert …«
»Oh, gut«, sagte Doll matt und wünschte sich, sie hätte mit Brett Bohnen auf Toast gegessen. »Kann ich dir noch irgendwie helfen?«
»Nein danke. Ich habe alles im Griff.«
Doll grinste. »Toll, dass du das so siehst. Wo ist Lu? Noch bei der Arbeit?«
»Nein, sie ist in ihre Wohnung gefahren, um ein paar von ihren Sachen zu holen. Niall ist heute Abend mit seinen Kumpels unterwegs, da muss sie ihm nicht über den Weg laufen. Ich habe ihr gesagt, dass das Essen gegen halb neun fertig ist.«
Doll verzog das Gesicht. Dann war es diesmal also wirklich aus und vorbei zwischen Lu und Niall. Die arme Lu. Sie hatte sich so große Hoffnungen gemacht. Doll hatte zwar nie gefunden, dass der arrogante, ehrgeizige Bürohengst Niall der Richtige für ihre Schwester war, doch zumindest war ihre Beziehung emotional explosiv gewesen. Stürmisch. Lulus Affären waren alle ziemlich bewegt gewesen. Ganz im Gegensatz zu der Beziehung zwischen ihr und Brett.
Im Flur klingelte das Telefon.
»Kannst du mal drangehen, Schatz?« Mitzi schwenkte ihren Kochlöffel wie einen Dirigentenstab. »Wenn es für mich ist, würdest du dann bitte sagen, dass ich beschäftigt
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