Magical Village 1 Zimt und Zauber
Jeans und streckte sich.
»Noch zwei Kisten, dann gehen wir nach unten und essen was.« Im matten Schein der nackten 40-Watt-Birne, die undekorativ an einem krummen Kabel über ihr baumelte, spähte sie auf die Uhr. »Lulu wird wahrscheinlich auch bald nach Hause kommen, natürlich nur, falls sie nicht doch zu Niall zurückgekehrt ist.«
Richard und Judy gaben dazu pikierte kleine Laute von sich.
Mitzi hatte gar nicht vorgehabt, den Dachboden auszumisten. Eigentlich hatte sie nach ihrer Rückkehr aus der Bücherei mit dem Schlafzimmer anfangen wollen. Erst auf dem Nachhauseweg, als sie über June, Sally, Mick und die anderen nachdachte, war ihr klar geworden, dass eine Stunde Kleideraussortieren einfach nicht genug Zeit verbrauchen würde. Und da sie ihre Tage weiß Gott nicht damit zubringen wollte, in der Bücherei Zeitungen zu lesen, die sie nicht interessierten, nur um die öden Stunden totzuschlagen, hatte sie beschlossen, gleich in großem Stil mit Aufräumen anzufangen. Das ganze Haus. Durchorganisiert. Von oben nach unten.
Der Dachboden war seit jeher Lance’ Reich gewesen. Im
Lauf der Jahre hatte er mehr und mehr Sachen dort verstaut und ganz selten etwas weggebracht, während Mitzi sich nur selten die Aluleiter hinaufgewagt hatte – vor allem wegen der Spinnen. Diesen Nachmittag hatte sie die Spinnweben in den dunklen Ecken tapfer ignoriert und jede Kiste mit ausgestreckten Armen geöffnet, für den Fall, dass irgendetwas vom Format eines Esstellers herausgekrabbelt kam.
Manche Sachen würden natürlich für immer hier oben bleiben: die Spielsachen und Babykleider von Doll und Lulu, die unordentlichen Stapel alter Fotos, die Möbelstücke, die aus ihrem Elternhaus stammten und nicht in ihr Haus passten, ihr jedoch zu viel bedeuteten, um auf dem Sperrmüll zu landen.
Sie ging erneut in die Hocke und blies den Staub von einer Kiste, die laut Aufschrift 24 Schachteln Rinso-Waschpulver zu neun Pence das Stück enthielt. Die meisten dieser Kisten stammten von ihren Eltern beziehungsweise deren Eltern und enthielten jene Art von persönlichem Krimskrams, der außerhalb der eigenen Familie niemanden interessierte. Schachtelweise Erinnerungen. Es betrübte sie, dass diese Menschen eines Tages, wenn ihre einstigen Besitztümer in den Besitz von Lu und Doll und deren Kindern übergingen, nur noch ferne, unbekannte Figuren aus der Vergangenheit ohne jeden Gefühlswert wären.
Mitzi hob den Deckel der Rinso-Kiste und quiekte vor Freude.
Granny Westwards Schätze!
Da lagen Halsketten und Armbänder aus Gagat, falsche Perlenketten, Strassbroschen in Eidechsenform, Stapel von nicht mehr ganz blütenweißen Spitzendeckchen, Postkarten und Briefe, Muscheln und Kieselsteine von längst vergessenen
Strandausflügen – alles Dinge, mit denen sich Mitzi als Kind die Zeit vertrieben hatte, wenn sie krank war.
»Mum!«, kam Lulus Stimme von unten. »Bist du da oben?«
»Komm rauf, Schätzchen, und sieh dir an, was ich gefunden habe …«
Mit lautem Gerumpel quälte sich Lulu zum Vergnügen von Richard und Judy durch die Dachbodenluke.
»Wow!«, sagte sie mit einem Blick auf die alten Vorhänge. »Cool.«
Mitzi lachte. »Ich dachte mir schon, dass sie dir gefallen würden. Es gibt noch jede Menge andere geschmacklose Sachen, die du dir gleich ansehen kannst. Wie geht es dir denn heute, Schätzchen? Fühlst du dich besser? Und wie soll es mit dir und Niall -«
»Ich gehe nie mehr zu Niall zurück.« Lulu raffte ihren streng riechenden Afghanenmantel und mehrere Lagen Röcke aus dem Secondhandshop und kniete sich neben ihre Mutter. »Es ist aus. Aus und vorbei. Natürlich werden wir uns irgendwann einmal aussprechen müssen, aber fürs Erste bin ich froh, wenn ich ihn nicht sehe. Und ja, ich fühle mich heute ganz gut – ziemlich befreit, ehrlich gesagt. Und wie steht’s mit dir? Hast du eine Beschäftigung gefunden?«
»Erstaunlicherweise ja. Ich hatte alle Hände voll zu tun. Es war alles ganz okay. Aber jetzt schau dir das mal an.«
»Hey, super!«
Lulu hatte ein paar Stücke des Gagatschmucks herausgenommen und ließ nun die zarten schwarzen Ketten durch die Finger gleiten. Hocherfreut sah Mitzi zu, wie Lu mit leuchtenden Augen tiefer in die Kiste fasste. Doll war nicht halb so sentimental wie sie, und es war einfach schön zu sehen, dass die alten Schätze noch jemandem Freude machten.
»So etwas Schönes bekommen wir bei uns im Laden nie … und Mann, schau dir das mal an!« Lulu zog ein abgenutztes,
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