Magical Village 1 Zimt und Zauber
braucht.«
Doll verzog die Miene. »Das ist ja so was von einfallslos, Mum! Dich braucht und liebt doch ohnehin jeder – Lu und ich und die Nachbarn und deine Freunde -, und denk nur an all die Leute, die wegen deiner Fitten-Fünfziger-Aktion angerufen haben … Echt, du solltest dir lieber etwas viel Persönlicheres wünschen.«
Mitzi schob sich die Gabel in den Mund und begann zu kauen. »Zu spät. Ich hab’s mir schon gewünscht – oh, und das schmeckt ja richtig gut. Jetzt ihr zwei …«
Lu schenkte sich erneut nach und hob ihre Gabel. »Ist ja babyleicht. Ich wünsche mir Johnny Depp zum Gespielen – und zwar so, wie er als verwegener Pirat in Fluch der Karibik ausgesehen hat, zum Anbeißen sexy und mit wehenden Haaren.«
»Lu!« Doll und Mitzi jaulten gleichzeitig auf. »Das entspricht überhaupt nicht dem Geist der Sache!«
»Pech gehabt«, meinte Lulu und schluckte ihren ersten Bissen hinunter. »Genau das hab ich mir gewünscht, und oh, hey, Mum, das schmeckt ja super. Echt super … Doll, jetzt bist du dran – was wünschst du dir?«
Doll holte tief Luft. Noch vor wenigen Stunden hatte sie
doch so viele Wünsche gehabt, oder? Urlaub, mehr Geld, Sex … Irgendwie erschien ihr all das nun eine Spur zu privat und zu habgierig. Natürlich war die ganze Sache ohnehin Humbug, aber falls es doch funktionierte … »Nun ja, heiraten und Kinder bekommen wäre schön – aber dafür stehen die Chancen momentan ganz schlecht. Um aber überhaupt etwas in der Richtung ins Laufen zu bringen, wünsche ich mir für den Anfang erst mal, dass Brett ein paar spontane romantische Anwandlungen zeigt …«
Lulu runzelte die Stirn. »Oh, bitte! Das ist ja zu ekelhaft, um auch nur daran zu denken. Briefträger Brett auf Freiersfüßen – igitt! Aber wenn das dein Herzenswunsch ist … nur zu – und jetzt iss den ersten Bissen, sonst geht es nicht in Erfüllung.«
Doll sah auf den Auflauf hinab. Das jahrelange Zusammenleben mit Brett hatte die Sensibilität ihrer Geschmacksknospen durch komplett geschmacksneutrale Speisen nahezu abgetötet. Bei ihnen zu Hause galt bereits ein Hauch Koriander als exotisch. Na gut. Sie schob sich die erste Gabel Auflauf in den Mund. Er schmeckte ungewöhnlich, aber keineswegs unangenehm. Die verschiedenen Zutaten verbanden sich zu einer weichen, cremigen Mischung, und selbst der fleckige Teig zerging auf der Zunge. Lächelnd nahm sie eine zweite Gabel.
»Herzlichen Glückwunsch, Mum. Ich glaube, du hast deine wahre Berufung gefunden. Die Fernsehköche können allesamt einpacken!«
Mitzi lief vor Freude rot an, ging leicht wankend zum CD-Spieler und tauschte Mott the Hoople gegen ABBA.
Da klingelte es an der Tür. Richard und Judy drehten ihre blassgrünen Augen in Richtung Diele.
»Ich mache auf«, sagte Mitzi. »Wahrscheinlich sind es Lav und Lob. Sie wussten, dass ich kochen wollte, und machen sich wahrscheinlich Hoffnungen auf die Reste. Hoppla. Meine Beine kribbeln auf einmal so – ich muss wohl zu viel von Clydes Pastinaken-Himbeer-Wein erwischt haben.«
Doll, die ihren Teller bereits leer gegessen hatte und sich zu ihrem eigenen Erstaunen einen Nachschlag nahm, sah ihrer Mutter nach, die im Zickzackkurs das Wohnzimmer verließ. »Mir ist auch ein bisschen schwindelig …«
»Mmmm, mir auch.« Lulu ließ ihre Perlenzöpfe klappern. »Aber der Auflauf schmeckt wirklich sagenhaft. Hey – du glaubst doch nicht, dass uns das Essen so benebelt hat, oder? Meinst du, Mum hat wirklich irgendeinen Zauber bewirkt?«
»Sei nicht albern«, sagte Doll, die ihr Gegenüber bereits doppelt sah. »Das kommt bestimmt von Clydes selbstgebrautem Gesöff …«
Beschwipst grinsten sie sich über den Tisch hinweg an, während Mitzi die Haustür öffnete. Alles war in friedliche und liebevolle Stimmung gehüllt. Beide wiegten sich zur Musik und fielen kichernd in ein Duett zu »Gimme Gimme Gimme a Man After Midnight« ein.
Ihr Gekicher erstarb mit einem Schlag, als sie Mitzi aufschreien hörten.
5. Kapitel
O h mein Gott!«
Mitzi klammerte sich ans Treppengeländer und starrte Johnny Depp an, der vor der Tür stand.
»Tut mir wirklich leid, wenn ich Sie erschreckt habe«, sagte er grinsend, wobei seine strahlend weißen Zähne in der Dunkelheit regelrecht leuchteten. »Alles in Ordnung?«
Mitzi nickte. Das kribbelnde Schwindelgefühl hatte ihr die Sprache verschlagen. Die Vision vor ihren Augen, der schöne junge Mann mit seinen perfekten Gesichtszügen und den seidigen dunklen Haaren,
Weitere Kostenlose Bücher