Magical Village 1 Zimt und Zauber
Wohnzimmer, also gehe ich lieber mal den Tisch decken, oder?«
Nachdem sie den Tisch mit bunten Tellern, Besteck mit blauen Griffen, drei verschiedenen Sektkelchen, vier violetten Kerzen in pinkfarbenen Haltern, vom letzten Weihnachtsfest übrig gebliebenen roten Servietten und einem Tafelschmuck aus den orangefarbenen und gelben Chrysanthemen von Mitzis Abschiedsstrauß gedeckt hatte, war Doll vom Gesamteindruck begeistert.
Sie schob eine CD von Mott the Hoople in den CD-Spieler, legte für später ABBA bereit und machte außer einer sämtliche Lampen aus. Im Schein der Kerzen und beim Flackern des Gasfeuers wirkte das Wohnzimmer wunderbar gemütlich.
Wenn nur ihr eigenes Haus halb so einladend gewesen wäre.
»Schön«, sagte Mitzi, als sie eine dampfende Schüssel Gemüse hereinbrachte. »Lulu ist gerade gekommen, und alles ist fertig – nun mache ich mich auf die Stunde der Wahrheit gefasst. Und jetzt setz dich, Schätzchen, ich hole den Rest.«
Während Doll Platz nahm, schossen Richard und Judy zwischen der hinausgehenden Mitzi und der eintretenden Lulu hindurch und machten es sich zu einer behaglichen Sitzung gegenseitiger Fellpflege vor dem Kaminfeuer gemütlich.
»Wow.« Lu sah sich beeindruckt um, als sie sich Doll gegenübersetzte und Zöpfe und Perlen aus dem Gesicht warf. »Das sieht ja alles herrlich aus. Und es ist so schön warm hier. Ich komme gerade aus Nialls eisigem Loft, und es ist mir nach den paar Tagen zu Hause schon total kahl und abweisend vorgekommen.«
»Genau das Gleiche habe ich gerade von unserem Haus gedacht.« Doll griff nach einer der vielen Flaschen auf dem Tisch und studierte das Etikett. »Oh Mann, das ist ja eine von Clyde. Hm – bist du gewappnet für das, was jetzt kommt?«
Lu grinste und schenkte sich ein großes Glas Pastinaken-Himbeer-Wein ein. »Mehr oder weniger. Wir müssen es so oder so essen, um sie nicht zu kränken, und zumindest das Gemüse riecht einwandfrei.«
»Und alles andere auch.« Mitzi kam mit einem beladenen Tablett rückwärts durch die Tür. »Auch wenn ich es selbst sage. Ich bin wirklich stolz darauf, wie gut alles geworden ist.«
»Darfst du ja …«
Doll und Lu musterten den Auflauf mit unverhohlenem
Staunen. Er wirkte völlig normal und roch wunderbar. Trotzdem, dachte Doll, Probieren geht über Studieren.
Mitzi, deren Haare noch immer in alle Himmelsrichtungen abstanden, die aber nun nicht mehr so gestresst wirkte, verteilte drei Portionen. Doll betrachtete erstaunt ihren Teller. Da sie ungefähr wusste, woraus der Auflauf bestand, wirkte das fertige Produkt auf sie eher so wie eines der hinter den Kulissen perfekt vorbereiteten Gerichte, wie sie die Fernsehköche immer stolz präsentierten. Aber Vorsicht konnte nicht schaden, und so schenkte sie allen noch einmal die Gläser mit Clydes starkem selbstgebrautem Wein voll.
»Auf meinen ersten Vorstoß in die Kochkunst«, rief Mitzi, die noch verblüffter zu sein schien als ihre beiden Töchter, »und darauf, dass unsere Wünsche in Erfüllung gehen …«
Kichernd stießen sie im Kerzenschein miteinander an, während im Hintergrund Mott the Hoople sangen.
»Ehe du fragst, ja, es ist alles absolut vegetarisch.« Mitzi strahlte Lulu an, als sie nach der Schüssel mit dem Gemüse griff. »Granny Westward muss es geahnt haben. Möchte jemand Soße? Noch Kartoffelbrei? Okay – und jetzt kommt das Beste. Die Wünsche gehen nur in Erfüllung, wenn man sie beim ersten Bissen ausspricht – so steht es zumindest im Kochbuch.«
Lu schenkte sich Wein nach. »Was wünschen wir uns denn? Allwöchentliche Lotteriegewinne und Größe 36 für immer?«
Mitzi lachte. »Kommt nicht infrage. Und auch nicht so etwas wie Weltfrieden oder Gesundheit und Glück für sämtliche Männer, Frauen, Kinder und Tiere, selbst wenn wir das alle noch so sehr herbeisehnen. Laut Granny Westwards Aufzeichnungen müssen die Wünsche etwas Privates betreffen
und im Gegensatz zu sonstigen Bräuchen auch laut ausgesprochen werden. Also, wer macht den Anfang?«
»Du«, bestimmte Doll. »Du hast die ganze Arbeit gemacht. Schieß los.«
Mitzi lehnte sich zurück und ließ ihre beladene Gabel in der Luft schweben. »Tja, da ich mich seit meiner Zwangspensionierung ein bisschen einsam und orientierungslos fühle, wünsche ich mir, wieder gebraucht zu werden und nützlich zu sein. Ich will einen Lebenszweck, und ich will geliebt werden. Um meiner selbst willen. Das wünsche ich mir. Dass mich jemand aufrichtig liebt und
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