Magical Village 1 Zimt und Zauber
Freundin. Wir haben förmlich aneinandergeklebt, wisst ihr noch? Ich habe sie immer bewundert. Im Vergleich zu ihr kam ich mir – na ja – unscheinbar und bieder vor. Eigentlich wollte ich sein wie sie. Ich wollte trickreich und tollkühn sein wie sie.«
»Während sie«, erwiderte Sally, »tödlich eifersüchtig war,
weil du so beliebt und so zuverlässig und zielstrebig warst. Du hast nie aufgegeben. Weder bei Dingen noch bei Leuten. Und ja, vielleicht war Tarnia viel durchtriebener als du, aber du hast alles in Ruhe und irgendwie freundlich, aber doch unbeirrbar durchgezogen. Alle haben dich gemocht, dir vertraut, sich auf dich verlassen – und das ist auch heute noch so. Du hast deine Freunde nie im Stich gelassen, während Tarnia überhaupt keine Freunde hatte – außer dir.«
»Sie war das beliebteste Mädchen der ganzen Schule«, protestierte Mitzi. »Alle wollten mit ihr befreundet sein.«
»Ganz im Gegenteil!« June schüttelte den Kopf. »Nicht zu fassen, Mitzi. Sag bloß, du hast nie begriffen, dass schon damals alle Angst vor Tarnias scharfer Zunge und ihrer sadistischen Ader hatten? Die anderen wollten in ihrer Bande sein, damit sie ihnen nichts tat. Sie war schon damals eine absolut fiese Schlange. Und Sally hat recht, sie hatte überhaupt keine richtigen Freundinnen außer dir.«
Mann! Mitzi musste blinzeln. Nun waren sie schon seit fast vierzig Jahren nicht mehr in der Schule, und sie hatte nie geahnt … nie begriffen …
»Ach, hört doch auf! Wenn ihr so weitermacht, tut sie mir noch leid – und Mitleid ist so ungefähr das Letzte, was Tarnia verdient hat. Auf jeden Fall muss ich wegen unserer Pläne noch mal mit ihr sprechen, also warum nicht gleich? Sollen wir dann für heute Schluss machen?«
June und Sally nickten.
Neben den allgemeinen Aktivitäten hatten sie noch einen Weihnachtsbasar für wohltätige Zwecke organisiert, eine einmalige Dorf-Weihnachtsfeier mit Showeinlagen und ein Weihnachtsessen für alle aus Hazy Hassocks und Umgebung, die an den Feiertagen allein waren.
Fast ununterbrochen kamen neue Ideen auf, und das Gemeinschaftsgefühl wurde immer intensiver, genau wie Mitzi es sich gewünscht hatte.
Doch Tarnia konnte ihnen alles vermasseln.
Mitzi stand auf und klatschte in die Hände. Wie immer nahm kein Mensch Notiz von ihr.
»Hier.« June wühlte unter dem Tisch herum, kam mit gerötetem Kopf wieder nach oben und reichte ihr eine Pfeife. »Das hilft. Hat meiner Ma gehört. Sie hat in der Grundschulkantine gearbeitet, weißt du noch? Damit hat sie die kleinen Strolche zur Räson gebracht. Ich hab sie zur Erinnerung behalten. Hab sie immer in der Handtasche, falls mich mal einer vergewaltigen will.«
Mitzi verkniff sich jeglichen Kommentar. Sie setzte die Pfeife an die Lippen und ließ einen langen, schrillen Pfiff ertönen.
Bingo!
Das Stimmengewirr verstummte auf der Stelle. Wie vom Donner gerührt starrten alle zur Bühne. »Äh – tut mir leid, wenn euch das lebhaft an Pudding mit Klümpchen und kaltes Kohlgemüse erinnert hat … Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit. Ich glaube, wir haben heute Abend wirklich viel geschafft, aber bestimmt haben wir alle auch zu Hause noch etwas zu tun. Ich maile die Details an die Bücherei, damit sich jeder ein Exemplar ausdrucken kann, und dann sehen wir uns nächsten Mittwoch wieder. Viel Spaß beim Feuerwerk.«
Einige klatschten. Manche nickten. Lavender und Lobelia winkten.
Mitzi verabschiedete sich, streifte ihre Handschuhe über, stellte den Kragen hoch und wappnete sich gegen die heftigen Explosionen vor der Tür.
In Gedanken noch bei den Enthüllungen über Tarnia, fummelte Mitzi in der frostigen Finsternis am Türschloss ihres Autos herum. Immer wieder erhellten Raketen in allen Regenbogenfarben den Himmel und überzogen den Parkplatz mit einem Kaleidoskop aus Lichtern und Lärm.
»Moment mal!« Laut schnaufend kam der Filzhutmann hinter ihr aus dem Gemeindesaal gestapft. »Fährst du jetzt direkt zu Lady Protz Snepps?«
Mitzi nickte.
»Ah, gut. Kannst du ihr gleich sagen, dass wir den Saal von jetzt bis Weihnachten jeden Freitag und Samstag brauchen? Und vielleicht noch an ein paar Abenden dazwischen? Die American Drama Group hat sich etwas ganz Besonderes vorgenommen, und dafür müssen wir sehr oft proben. Es ist nicht mehr viel Zeit, um es bis zum großen Abend hinzukriegen …«
»Nein, das Jahr neigt sich rapide dem Ende entgegen. Aber wenn ihr nur ein Konzert mit Weihnachtsliedern geben oder eine
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