Magical
»Lucinda Baker war eine Hexe, die die Pest über uns gebracht hat!«, zischte sie.
War es das, was man sich erzählte? »George Viccars war es, er hat die Pest auf einem Stoffballen aus London mitgebracht. Außerdem ist Lucinda meine Freundin.«
»Wenn sie deine Freundin ist, dann bist du vielleicht auch eine Hexe und solltest als solche gehenkt werden.«
»Wie können Sie so etwas zu mir sagen? Meine Familie ist so tot wie die Ihre. Ich will doch nur …«
»Oh, Kendra.« Ihr Gesicht verzerrte sich und sie fing wieder an zu schluchzen. »Ich weiß, was du willst. Wenn du es doch nur bekommen könntest, aber es ist zu spät. Lucinda ist fort.«
Die Krähe auf der Dachrinne krächzte und wandte ihren schwarzen Kopf ab.
»Manche sagen, sie sei bei Nacht und Nebel fortgegangen, um denjenigen zu entgehen, die die Wasserprobe mit ihr machen wollten. Andere sagen, sie hätte ein anderes Ende gefunden.«
Ich blickte in das Fenster, das schwarz und leer war. Lucinda war fort, und mit ihr auch die letzte, noch so unmögliche Hoffnung. Ich wollte mich auf den Boden fallen lassen und weinen, aber dafür hatte ich keine Zeit. Stattdessen sagte ich: »Vielleicht finde ich im Garten noch etwas für Charlie.«
Mrs Jameson nickte. »Ich bedauere deine Verluste, Kendra.«
»Und ich die Ihren. Vielleicht …« Ich verstummte. Ich hatte sagen wollen, dass sie vielleicht kommen und bei uns leben könnte, damit niemand von uns allein wäre. Doch ich wusste, dass ich nicht im Dorf bleiben würde. Ich musste die Stätte dieser Tragödie verlassen und weit weg gehen. »Vielleicht sehen wir uns wieder.«
Sie nickte erneut und ging weiter.
Ich lief in Lucindas Garten und sammelte so viel ich konnte von den unterschiedlichen Kräutern. Ich versuchte, mich daran zu erinnern, wie sie verwendet wurden. Schafgarbe, um die Wunden zu heilen und das Fieber zu senken, Löwenzahn für die Geschwüre, Zinnkraut zur Stärkung. Ich legte alle in meine Schürze. Hinten im Garten wuchs ein Kraut, das ich nicht benennen konnte, es war gelb und spitz wie die Krallen einer Katze. Die Krähe schwebte darauf herunter, als wollte sie darauf zeigen. Ich kannte seine Verwendung nicht, aber irgendetwas sagte mir, dass es das Wertvollste von allen war. Ich pflückte einen Bund davon.
Die Krähe krächzte, als ich zurück nach Hause schlurfte.
Charlie lebte noch, er schlief. Ich beobachtete, wie ein Kälteschauer seinen schwachen Körper schüttelte. Ohne haltzumachen, um nach dem Fieber zu schauen, ging ich zur Quelle und dann zum Herd. Ich brachte den Morgen damit zu, Tees zu kochen und Salben herzustellen. Nachmittags zwang ich Charlie dazu, die Medizin einzunehmen.
Als die Nacht hereinbrach, ging es ihm kein bisschen besser. Lucindas Kräuter hatten mich alle im Stich gelassen, und Charlies Schüttelfrost war schlimmer geworden. Die Geschwüre an seinem Hals schienen noch röter zu sein. Ich ließ das mit der Medizin sein, nahm seine Hände und begann zu beten. Ich betete so inbrünstig ich konnte, auch wenn ich wusste, dass das nicht reichen würde. Gott, so schien es, hatte keine Zeit für uns, vor allem nicht für mich. Wer wollte ihn dafür tadeln, wo es so viele Kranke gab, nicht nur hier, sondern in ganz England, vielleicht auf der ganzen Welt? Während ich betete, stieg mir der verräterische Geruch von verrottendem Fleisch in die Nase, undich wusste, es würde nicht lange dauern, bis auch Charlie tot sein würde, bis ich allein wäre, ganz allein auf der Welt.
Zusammen mit meinen Tränen wurden meine Gebete noch inbrünstiger, verzweifelter, aber die Worte veränderten sich zu etwas, das ich selbst nicht verstand. Ich beugte mich nach vorne, hielt Charlies Hand und spürte, wie meine Finger von einer seltsamen Energie vibrierten, die sich mit den Welten vereinigte und von mir zu Charlie floss, von Charlie wieder zurück zu mir, bis sich das Zimmer drehte und von einem seltsamen, glitzernden Licht erfüllt war. Mir wurde schwindlig vor Hunger und Verzweiflung, meine Arme pulsierten von der Anstrengung, ihn zu retten, und bizarre, uralte Worte kamen mir über die Lippen. Ich wusste nicht, was passierte. Ich wusste nur, dass mich etwas gepackt hatte, etwas, das stärker war als die Gebete, stärker als die Trauer.
Schließlich brach ich vor Erschöpfung zusammen.
˜ ˜ ˜
Am nächsten Morgen wurde ich von den ersten Sonnenstrahlen und Charlies Stimme geweckt.
»Kendra? Kendra? Ich bin es leid, immer nur herumzuliegen.«
Ich erschrak.
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