Magie der Liebe
Oder vielleicht nur Lily selbst?
»Was
machen
Sie da,
Sir?«
»Ach, du Himmel!« flüsterte Knight und schob Lily von sich. »Ihr Beschützer hat bereits die Fäuste geballt!« Er grinste Sam zu, der breitbeinig und kampfbereit auf der untersten Treppenstufe stehengeblieben war.
»Nun, Sir?«
»Eigentlich gar nichts, Sam. Steck die Fäuste ruhig in die Taschen und hör auf, mich ›Sir‹ zu nennen. Ich bin dein Vetter Knight. Deine Mutter hat geweint, weil sie zum Frühstück kein Brot bekommen hat.«
»Ich aber schon, Vetter Knight.«
»Das war ganz altes! Mein Koch konnte kein frisches Brot backen, weil ein kleiner Junge aus diesem Haus nicht weiß, daß Teig in den Bauch gehört und nicht ans Treppengeländer!«
Sam sank vor lauter Prusten gegen das Geländer, und Lily lachte so süß und herzlich, daß Knight vor Gier nach ihr fast gestöhnt hätte.
»Ah, Theo! Gut siehst du aus. Und wie geht es dem kleinen Floh? Hallo, Laura Beth!«
»Ich will noch einmal baden!« verkündete sie sofort um den Daumen herum. »Und wieder mit dem Handtuch spielen.«
»Vielleicht in ein paar Tagen!« versprach Knight. »Zuerst muß ich mich erholen, denn du hast mich ja beinahe ertränkt!«
Laura Beth kicherte, und Knight hätte sie am liebsten hochgehoben und ihre rosafarbenen Bäckchen geküßt. »Zieht bitte keine Schnute, weil ihr nicht mitkönnt. Ich verspreche, daß wir in der nächsten Woche nach Richmond fahren und ein Picknick veranstalten. Paßt heute gut auf eure Mutter auf und laßt das Haus stehen, wenn möglich. Lily, ich sehe Sie dann beim Abendessen!«
»Wenn Sie möchten.«
»Aber ganz bestimmt will ich das!«
Lily nickte Charlie zu, worauf dieser ihr Weinglas nachschenkte. »Das ist der wunderbarste Wein, den ich jemals getrunken habe«, sagte sie und lächelte ihrem Gastgeber zu, der in seinem schwarzen Abendanzug eine hervorragende Figur machte. Seit sie ihn vor einigen Tagen halbnackt gesehen hatte, konnte sie nicht mehr so tun, als ob er als Mann nicht vorhanden wäre.
»Mein Vater hat von Bordeaux-Weinen sehr viel verstanden«, erklärte Knight. »Von ihm habe ich das meiste gelernt. Ich freue mich, wenn Ihnen meine Wahl zusagt. Ganz nebenbei sehen Sie heute abend bezaubernd aus!«
»Vielen Dank!«
Ihre Stimme hatte ein wenig ungläubig geklungen, doch das war nicht gespielt. Es verblüffte ihn immer wieder, wie wenig sich Lily doch der Wirkung bewußt war, die sie auf Männer ausübte. Ihr Kleid war zwar nach neuestem Londoner Geschmack ein wenig altmodisch, doch die sanfte Aprikosenfarbe ließ ihre Haut förmlich leuchten. Sofort bei ihrem Eintritt war ihn heftige Erregung überkommen.
Ohne den geringsten Zusammenhang, fragte er plötzlich: »Haben Sie eigentlich jemals Trauer getragen?«
Sie wurde blaß, doch sie antwortete ganz ruhig. »Nein, ich wollte unser weniges Geld nicht für so unwichtige Dinge ausgeben.« Dabei reckte sie in einer kleinen, trotzigen Geste ihr Kinn in die Höhe.
»Es tut mir leid, aber es geht mich wirklich nichts an«, entschuldigte sich Knight. »Doch jetzt zu Theo. Er reitet ja fantastisch und braucht unbedingt ein temperamentvolleres Pferd als den alten Bruno. Wicket wird vermutlich genau das richtige für ihn sein.«
»Knight, bitte, ich möchte nicht...«
»Psst, Lily! Versuchen Sie lieber den Fisch mit der köstlichen Sauce. Ich tue ohnehin, was ich für richtig halte. Also: Nachdem wir den Tattersall verlassen hatten - wirklich, Theo ist geradezu ein Pferdekenner -, gingen wir zum Buchbinder.«
»Hatte Theo genug Geld?«
Knight überlegte kurz, ob er sie anlügen sollte, doch dann entschied er sich dagegen. Theo würde ohnehin alles erzählen. »Nein«, beantwortete er schließlich die Frage, »aber das haben wir geregelt.« Er machte eine kleine Pause und dachte an Theos ängstliches Gesicht, das ihm ans Herz gegriffen hatte. Dann hob er den Kopf und lächelte Lily an. »Theo wird mir die anderen fünf Shillinge in der nächsten Woche zurückzahlen. Er ist nämlich seit heute mein Bibliothekar und wird einen Katalog meiner Bücher anfertigen. Es herrscht ein schlimmes Durcheinander, aber Theo wird es schon schaffen. Falls er Hilfe benötigt, steht ihm Trump gern zur Verfügung. Ich denke, es genügt, wenn er zwei Stunden am Tag in der Bibliothek verbringt.«
»Aber...«
Mit gebieterischer Geste brachte Knight Lily zum Schweigen. »Es ist eine Abmachung zwischen Theo und mir, Lily. Sie sind nur seine Mutter und sollten sich nicht einmischen.
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