Magie der Liebe
als der Junge ihn völlig ungläubig ansah, fuhr er fort: »Du hast genau fünfzehn Minuten! Und frage deine Mutter um Erlaubnis, verstanden?«
»Sehr wohl, Sir!« jubelte Theo und stürmte davon.
Nachdenklich sah Knight hinter ihm her, dann bückte er sich und hob die Überreste des Buchs auf. Während er die Seiten wieder zwischen den Einband schob, brummte er: »Kein Wunder, daß es eine Erstausgabe ist! Wahrscheinlich wollte niemand eine zweite haben.«
Während er auf Theo wartete, beschloß er, zuerst mit ihm zum Tattersall zu reiten und danach den Buchbinder aufzusuchen. Dann fiel ihm ein, daß der Junge wahrscheinlich gar kein Geld hatte, und er durch seine voreilige Zustimmung ein Problem geschaffen hatte. Was konnte er tun, ohne Theos Stolz zu verletzen, fragte er sich, doch bereits nach kurzem Nachdenken hatte er die Lösung gefunden. Voller Stolz verließ er leise pfeifend die Bibliothek und lief Lily praktisch genau in die Arme.
»Du lieber Himmel, haben Sie sich weh getan?« Er packte ihre Arme und ließ dabei das Buch ein zweites Mal zu Boden fallen.
»Nein, überhaupt nicht.« Sie lächelte ihn an, und das genügte schon, um in ihm den Wunsch zu wecken, sie auf der Stelle zärtlich zu Boden zu ziehen und zu lieben.
»Wo ist Theo?« fragte er.
»Er zieht sich um, und ich möchte Ihnen danken, Knight, denn so gelöst und aufgeregt war er schon lange nicht mehr!«
Stirnrunzelnd betrachtete er ihr bleiches Gesicht und überlegte, ob sie sich wohl die ganze Zeit über im Haus aufgehalten hatte. »Weshalb kommen Sie denn nicht mit?«
Ein kurzes Leuchten huschte über ihr Gesicht. »Das ist zwar ein herrlicher Vorschlag, aber ich möchte lieber bei den Kindern bleiben. Wenn man Sam aus den Augen läßt - oh, ich habe vergessen zu erzählen, daß er sich bei Betty entschuldigt und ihre Vergebung erlangt hat.«
»Na, wunderbar«, erwiderte Knight ein wenig abwesend. Er dachte daran, daß es vielleicht sogar klüger war, die Sache allein mit Theo zu regeln. »Vermutlich haben Sie recht. Einer muß hierbleiben, damit das Haus hinterher noch steht!« Er lachte. »Um Theo brauchen Sie sich nicht zu sorgen. Wir werden einige Zeit fortbleiben. Kann er gut reiten?«
»Sein Vater hat es ihm vor Jahren beigebracht, aber während der letzten Monate...«
»Das ist nicht so wichtig. Ich habe einen sehr braven Gaul im Stall, der ihm bestimmt zusagen wird. Lily?«
»Ja?«
»Werden Sie heute abend mit mir essen?«
Seine Stimme klang so, als streichelte sie sanft über Lilys Haut. »Wenn Sie es möchten«, antwortete sie, und sah plötzlich wieder den halbnackten Mann vor sich, der Laura Beth gebadet hatte, und hörte wieder sein Lachen, als er die Kleine in das riesige Handtuch gewickelt hatte.
»Ich bestehe geradezu darauf. Ich werde auch gut auf Theo achtgeben.«
»Das weiß ich.«
»Hat er erzählt, was geschehen ist?« erkundigte sich Knight vorsichtig.
»Ja, denn er ist sehr ehrlich. Er wollte außerdem wissen, ob es richtig ist, wenn Untaten auch noch mit Ausreiten belohnt werden.«
»Untaten! Er hat lediglich ein Buch fallen lassen.« Knight deutete auf das verformte Exemplar am Boden. »Wahrscheinlich ist es noch nicht einmal etwas wert.« Damit beugte er sich hinunter und hob die Überreste auf.
»Theo nimmt die Dinge sehr ernst. Er hat schließlich etwas beschädigt, das Ihnen gehört. Aber ich habe ihn beruhigt und ihm gesagt, daß er seinen Fehler wieder gutmachen kann, wenn er Ihnen heute nachmittag Gesellschaft leistet.«
»Wie bitte?!« Knight lachte lauthals. »Das war eine Meisterleistung! Sehr gut, Lily! Da ich annehme, daß er kein Geld hat...«
»Ich habe ihm fünf Shillinge gegeben.«
Als Knight fluchte, sah Lily ihn verständnislos an.
»Verzeihen Sie, aber ich wünschte, Sie hätten es nicht getan. Ich wollte ihm das Geld leihen und es mir dann durch Arbeit zurückzahlen lassen. Theo braucht ein bißchen eigenes Geld, und wenn es nur ein paar Shillinge sind.«
Lily konnte kaum fassen, wieviel Verständnis Knight für die Kinder hatte, und zu ihrem eigenen Entsetzen, brach sie zum ersten Mal seit Tristans Tod in Tränen aus.
Knight war unsicher. Weinte sie etwa, weil er Theo ein paar Shillinge in der Woche geben wollte? Ohne nachzudenken zog er sie in die Arme, drückte ihr Gesicht gegen seine Schulter und flüsterte ihr tröstende Worte zu, während er ganz zart über ihren Rücken streichelte. Dabei stieg ihm ein zauberhafter Duft in die Nase. War es Jasmin? Oder Lavendel?
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