Magie der Liebe
ich Ihnen in der Kutsche zu nahe getreten bin. Aber es hat Ihnen gefallen, nicht wahr? Im Grunde haben Sie die besten Voraussetzungen, eine große Kurtisane zu werden, Lily, doch leider steht Ihnen Ihre echte Leidenschaft im Weg. Nehmen Sie meinen Rat an: eine wirklich erfolgreiche Hure muß kalt wie eine Tote sein!«
Nachdem Knight die letzten Worte förmlich ausgespuckt hatte, machte er abrupt kehrt und verließ die Bibliothek, wobei er die Tür zwar leise, doch sehr bestimmt ins Schloß zog.
Erschöpft sank Lily auf eine Polsterbank und starrte mit leerem Gesichtsausdruck vor sich hin, ohne auch nur irgend etwas zu sehen oder zu denken. Am liebsten wäre sie auf der Stelle gestorben. Wenn sie noch Kraft gehabt hätte, hätte sie wenigstens davonlaufen können, doch im Augenblick war sie selbst dazu zu erschöpft.
Irgendwann hatte sie sich wieder so weit in der Gewalt, daß sie nach oben gehen konnte, wo Mrs. Allgood sie mit einem warmen Bad erwartete. Kurz darauf wurde ihr das Abendessen auf einem Tablett serviert.
»Ißt Seine Lordschaft zu Hause?« wollte Lily wissen.
»Nein, er wird heute abend im Club speisen. Weshalb, kann ich Ihnen nicht sagen.« Mrs. Allgood runzelte die Stirn. »Da Sie die weite Reise auf sich genommen haben, hätte ich eigentlich gedacht...« Sie zuckte die Achseln. »Nun, eigentlich geht es mich ja überhaupt nichts an. Mögen Sie Mrs. Crumpe?«
»Sie ist ganz reizend zu uns allen und überaus freundlich.«
»Das will ich auch hoffen, denn schließlich ist sie meine Kusine! Ich habe ihr natürlich Ihr Kommen angekündigt und ihr auch geschrieben, wie nett Sie alle sind. Gute Nacht, Mrs. Winthrop!«
Wie klein doch die Welt ist, dachte Lily. Dann aß sie, was man ihr gebracht hatte, und ging kurze Zeit später zu Bett. Noch bevor die Uhr acht geschlagen hatte, war sie tief und fest eingeschlafen.
Gegen ein Uhr in der Nacht öffnete Knight ganz leise ihre Tür. Er wollte Lily unbedingt ansehen, doch in der Dunkelheit konnte er nicht die Hand vor Augen sehen. Ich brauche eine Kerze, dachte er. Bei der Suche stolperte er heftig gegen ein Stuhlbein und hätte beinahe laut geflucht. Doch im letzten Augenblick beherrschte er sich und wunderte sich im stillen über seine zielstrebige Entschlossenheit. Als er endlich einen Leuchter gefunden und die Kerze angezündet hatte, schlich er leise zum Bett hinüber.
13. Kapitel
Da es im Raum empfindlich kühl war, entfachte Knight zuerst einmal ein Feuer, denn er wollte Lily ausziehen. Als immer mehr Flammen aus dem Holzstoß schlugen, erhob er sich und betrachtete zufrieden sein Werk. Dabei klaffte sein Morgenmantel ein wenig auseinander, und er mußte zu seinem Mißfallen feststellen, daß er ganz offensichtlich keinesfalls so unbeteiligt war, wie er sich eingeredet hatte. Dabei hatte er Lily noch nicht einmal angesehen oder gar berührt! Hastig zog er den Stoff übereinander und knotete seinen Gürtel fester, doch viel besser wurde es davon nicht.
Lautlos beugte sich Knight über das Bett und starrte Lily unverwandt an. Im Zimmer wurde es zusehends wärmer, während der Schein der Flammen die Wände beleuchtete. Schließlich tastete sich ein Arm unter den Decken hervor und schob sie im Schlaf ein Stück zurück.
Knight verhielt sich mucksmäuschenstill und konnte seine Augen nicht abwenden. Lilys Haar breitete sich in dichten Locken über das Kissen aus und reizte ihn zur Berührung. Dabei sah sie so wunderbar unschuldig und kindlich aus, daß er am liebsten höhnisch gelacht hätte.
Angesichts ihres jungfräulich weißen Nachthemds verstärkte sich dieses Gefühl noch, denn das Hemd reichte bis zum Hals hinauf und wurde durch zahlreiche, winzige Knöpfchen geschlossen. Fast automatisch versuchte Knight, sich Lily in dem aprikosenfarbenen Seidentraum vorzustellen, den er Daniella vor einigen Monaten ge schenkt hatte und dessen zarter, durchsichtiger Stoff mehr ahnen ließ, als er verhüllte. Doch irgendwie wollte es ihm nicht gelingen.
Etwas ernüchtert stellte er den Leuchter auf einem kleinen Seitentisch neben dem Bett ab und ließ sich vorsichtig auf der Bettkante nieder, ohne Lily zu berühren. »Eine Hure«, flüsterte er fast tonlos vor sich hin. »Die aufregendste Frau, die ich je in meinem Leben gesehen habe, entpuppt sich als Hure!« Er lachte trocken.
Und dieses Lachen drang bis in Lilys Bewußtsein. Zögernd öffneten sich ihre Augenlider, und als sie schlaftrunken den Kopf wandte, erblickte sie ihn. »Knight?« fragte sie
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