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Magie der Schatten: Roman (German Edition)

Magie der Schatten: Roman (German Edition)

Titel: Magie der Schatten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Lisowsky
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dem Rücken zur Wand, einen Bierhumpen in der Hand. Er trank bedächtig, und das Getränk gluckerte in seinem leeren Magen. Die meisten seiner Wegbegleiter schwenkten die Humpen wild herum und verteilten die Hälfte des Inhalts über den Tischen des Wirtshauses. Die andere Hälfte gossen sie daneben, wenn sie sich die Trinkgefäße an die Lippen setzten. Adler und Rattenfinger spielten Karten an einem Tisch, von dem sich Vicold eben erhob. Der Messermann setzte sich zu Raigar. »Alle sind versorgt.« Raigar sah hinüber zu den übrigen Gästen des Hauses, die sich schon beim Eintreffen der Söldnerbande in die am weitesten entfernten Ecken zurückgezogen hatten. Auch die Bedienungen, die gebratenen Hirsch und Brotkörbe brachten, näherten sich der großen Tafel nur zögerlich.
    »Sie verdienen auch an uns.« Vicold nahm eine Kloßsuppe entgegen und stellte sie vor sich hin. »So viel Betrieb sind sie hier vielleicht nicht gewohnt, aber für einen Abend werden sie es aushalten.« Er schlürfte einen Löffel der dampfenden Brühe. »Ich kannte den Wirt schon, noch bevor er einen Namen für seine Schenke hatte. Noch bevor er sich das Tier ins Haus geholt hat.« Vicold meinte die Chimäre, eine pferdegroße, steinerne Statue, die in der Mitte der Schenke stand. Der Steinmetz hatte ein Wesen geschaffen, das den Körper eines Löwen, aber den Kopf eines Ziegenbocks hatte. Aus der Brust ragte der echsenhafte Kopf eines Drachen, und der Schwanz war nichts anderes als eine züngelnde Schlange. Das Wesen schien in der Bewegung erstarrt, als hätte ein böser Zauber es in diesen steinernen Zustand versetzt. »Er schwört, dass jemand einmal eine Nadel durch einen Riss im Stein geschoben hat und dass danach Blut an der Spitze war.«
    »Mich interessieren eher andere Arten von Bestien. Die, die uns folgen.« Raigar schob seinen Humpen weg.
    »Die Lakaien des Kaisers. Vergiss sie zumindest heute Nacht. Wir bekommen hier gut zu essen und zu trinken, und morgen brechen wir gestärkt auf.«
    »Ohne dass wir wissen, woher wir die nächste Mahlzeit bekommen. Mit leerem Magen lässt es sich nicht gut fliehen vor einem ganzen Reich.«
    »Du denkst zu viel.« Vicold stocherte in den Klößen herum, die in der Suppe schwammen. »Wir nehmen uns etwas Wegzehrung mit. Der Rest …«, seine Augen funkelten, »... wird sich ergeben. Genauer gesagt, er wird uns gegeben. Oder wir nehmen ihn uns.«
    Raigar zog Vicold am Kragen zu sich. Heiße Suppe tropfte ihm auf die Hand. »Ich habe davon genug gesehen in den vielen Jahren meines Lebens. Genug für all die Jahre, die noch kommen mögen. Söldner, die durch die Dörfer ziehen, Frauen schänden, Söhne und Väter erschlagen und sich all ihre Habe nehmen.«
    Es dauerte nur den Bruchteil einer Sekunde, schon richteten sich die Blicke von dreißig Männern auf ihn. Sie hielten in ihrem Geschunkel und Gebrüll inne. Raigar ließ Vicold los.
    Die Gesichter wandten sich ab, und langsam setzte das bunte Treiben wieder ein.
    Vicold rückte sich den Kragen zurecht. »Wie viel wiegt für dich dein Leben, wenn du es auf eine Waagschale legen müsstest, und auf der anderen Seite befindet sich das Leben eines anderen, eines Fremden?« Seine Miene wurde unergründlich.
    »Niemand muss sterben, damit ich leben kann. Das ist widersinnig.«
    »Nicht einmal ich habe diese Söldnerbande im Griff. Wenn wir uns auf einem Hof neu ausstatten müssen, dann kann ich dir keine Garantie dafür geben, was geschieht. Du bist selbst Söldner. Du weißt, wie es ist.«
    Eine Kellnerin stellte einen Teller mit gebratenem Hähnchen und Kartoffeln vor Raigar ab. Vicold sah ihn an, als erwarte er etwas.
    Raigar leerte seinen Humpen und starrte dem Messermann in die Augen. »Schon klar. Du willst, dass ich mich bedanke für das Essen, das du hier ausgibst.« Er schob sich eine Kartoffelscheibe in den Mund und kaute. »Danke. Danke, dass du dich zumindest heute dagegen entschieden hast, ein Blutbad anzurichten, um an ein Abendessen zu kommen.«
    Vicold verzog keine Miene.
    Bevor er etwas entgegnen konnte, öffnete sich die Tür der Stube. Gestalten in grauen, durchnässten Regenmänteln betraten den Raum, sechs insgesamt. Ihre Gesichter blieben unter Kapuzen verborgen. Sie steuerten die Theke an und sprachen mit dem Wirt. Einige der Söldner drehten sich zu den neuen Gästen um, und das Lärmen verstummte erneut. Wer eine Waffe hatte, legte die Hand zumindest in die Nähe des Griffs.
    Die Gäste mit den verhängten Gesichtern gingen

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