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Magie der Schatten: Roman (German Edition)

Magie der Schatten: Roman (German Edition)

Titel: Magie der Schatten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Lisowsky
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gekostet haben«, sagte Raigar.
    »Das alles hat Leben gekostet. Im Gefängnis habe ich noch über fünfzig Köpfe gezählt, und jetzt … Die Hälfte vielleicht.«
    Raigar öffnete den Sack und wühlte in einigen Kleidern, die eher schmutzigen Lappen glichen. Es waren tatsächlich seine Sachen. »Haben die Männer zumindest gewusst, weswegen sie gestorben sind?«
    »Unser Kaiser Weider weiß es«, brummte ein alter, verwitterter Mann. Steinchen war einer der Namen, die man ihm gegeben hatte. Er trug stets ein Säckchen voll winziger Kiesel bei sich, und schon heute am Abend hatte er sie mehrmals ausgekippt, um aus ihnen die Zukunft zu lesen. Jetzt hielt er ein Fleischstück am Knochen über das Feuer. »Der ist ein alter Hurenbock. Er hat seinen Hintern auf den Thron gepflanzt und der Kaiserstadt ihren Namen gegeben. Weigrund.«
    »Halt den Mund«, sagte Vicold fast väterlich und wandte sich wieder Raigar zu. »Beim Krieg in der Wüste hat auch niemand nach dem Grund fürs Sterben gefragt.«
    »Weil Kriege heute keinen Grund mehr brauchen. Aber das hier ist anders. Wir sind ein paar Leute ohne Arbeit, die plötzlich auf dem Blutgerüst gestanden haben.« Raigar beobachtete, wie der Alte das Fleisch über dem Feuer drehte.
    »Der Kaiser hat uns benutzt. Wir haben ihm eine Zeitlang gedient, und jetzt wirft er uns weg. Was ihn dabei antreibt, das wirst du ihn selbst fragen müssen. Ich würde es selbst gerne tun. In die Stadt zurück, den Wachen die Hälse durchschneiden und dann Weider höchstpersönlich in seinem Schlafgemach besuchen.« Etwas Glänzendes wirbelte durch die Luft, und plötzlich hielt Vicold ein kleines Messer in der Hand. Gedankenverloren betrachtete er es.
    »Das ist wahrscheinlich der kürzeste und sicherste Weg in den Tod.« Raigar warf einzelne Stöckchen von Rattenfingers Haufen in die Flammen.
    Vicold steckte das Messer wieder in eine der vielen fast unsichtbaren Scheiden an seiner Lederrüstung. »So weiß ich zumindest, was ich bekomme.«
    »Und wohin willst du wirklich gehen?«
    Vicold zuckte mit den Schultern. »Wenn ich wüsste, wie weit sie gehen werden, um uns in die Finger zu bekommen, dann wäre es leichter, einen Plan zu schmieden.«
    Raigar griff wieder nach seinem Beutel und leerte den Inhalt scheppernd auf den steinigen Boden aus. Auch sein Schwert fiel heraus. Er schob es unter die dreckigen Kleider, damit das Kaisersymbol aus seinem Blickfeld verschwand. »Damals in den Wüsten sind wir für Weider bis ans Ende der Welt gegangen, um einem Hirngespinst nachzujagen. Er hat einen Angriff der Nomadenvölker befürchtet, mit einer magischen Waffe, die sie vielleicht konstruiert haben könnten. Aber niemand hat eine solche Waffe gefunden, nicht im Wüstensand und nicht in den Kristallminen.«
    »Also?«, fragte Vicold.
    »Wie ich sagte: ans Ende der Welt für ein Hirngespinst. Wenn Weider uns tot sehen will, dann wird er nicht ruhen, bis er unsere Köpfe auf seinem Schoß liegen hat.«
    »Wir werden lange rennen müssen.«
    »Wir können nirgendwohin rennen«, sagte Raigar. »Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sich die Nachricht über uns im Reich verbreitet hat und niemand uns mehr Obdach gewährt.«
    Vicold nickte bedächtig in Richtung der schwarzen Stämme, die sich vor dem Nachthimmel abhoben. »Aber das Reich ist nicht unendlich. Es hat Grenzen.«
    Raigar schüttelte den Kopf. »Nicht mehr, seit Weider es geeint hat. Es ist ein Reich.«
    Steinchen, der Alte, knabberte an seinem Fleischstück, das weniger gebraten als einfach rußschwarz war. »Wir könnten nach Westen gehen. Weit nach Westen, meine ich.«
    »Nach Zweibrück …«, murmelte Raigar. »Ja, die hängenden Brücken markieren das Ende des Reichs. Weider kann es sich nicht leisten, die Grenzen zu überschreiten. Nicht als erst kürzlich gekrönter Kaiser. Das kann er sich noch weniger leisten, als uns am Leben zu lassen. Und da gibt es noch den Herrscher jenseits der Brücken.«
    »Du willst ins Schattenland?«, fragte Rattenfinger entsetzt. Die anderen Männer schauten alarmiert auf. »Zum Nigromanten?«
    »Nein, nur bis kurz hinter die Grenze«, sagte Raigar. »Da können uns die Schatten noch nichts anhaben.«
    Rattenfinger, Steinchen und die anderen schauten skeptisch drein, aber Vicold rief: »Und schon haben wir einen Plan.«
    »Hm.« Raigar warf ihm einen Blick zu. »Es sind allerdings Wochen von hier aus bis zur Grenze.«
    Vicold warf ein Messer hoch und fing die Klingenspitze zwischen zwei Fingern auf.

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