Magie der Schatten: Roman (German Edition)
um die Bandagen geschlossen. »Ja. Das hättest du gern, dass ich dort wäre. Ich weiß. Aber keiner hat dir befohlen, dich um mich zu kümmern.«
Sie hielt seinem Blick stand, aber eine Antwort gab sie nicht.
Nairod wickelte die Bandagen zusammen und steckte sie in seinen Rucksack. Gleichzeitig zog er drei in Leder gebundene Wälzer heraus. »Deine Bücher kannst du auch zurückhaben. Ich weiß nicht, was ich damit soll und was du denkst, was ich damit soll. Sollen sie mir – hex, hex – ein plötzliches Interesse an magischen Studien einpflanzen?«
Als sie wieder nicht antwortete, blätterte er demonstrativ unbeeindruckt durch das erste der Bücher. Skizzenzeichnungen von Menschen, vom Himmel und vom Kontinent huschten vor seinen Augen vorbei. Außerdem eine viel zu kleine Schrift, die man nur mit Hilfe einer Brille bequem lesen konnte. Er schlug das Buch zu. »Grundlagen zur Anwendung von …«, er fächerte den Bücherstapel auf, so dass die Titel der anderen beiden Bücher sichtbar wurden, »...vom Wesen der … Einführung in die …« Er schob die Bücher wieder zu einem Stapel zusammen und wuchtete sie Lenia auf den Schoß. » ... Magie « , sagte er. »Das sind eigentlich nur die Bücher, die ich auch im Unterricht empfohlen bekommen habe.«
Lenia nickte einfach. Sie öffnete ihren Rucksack, aus dem mehr Buchrücken herausschauten, als auf Nairods Bücherregal daheim standen. »Na gut. Du findest sie langweilig, das kann ich verstehen. Sie sind ja auch verfasst von Leuten, die nicht selbst gezaubert, sondern nur endlos Buchseiten vollgeschrieben haben.« Sie stopfte die drei Wälzer in den Rucksack zu den anderen und wühlte darin herum.
Nairod lehnte sich zurück und rieb sich mit den Händen über das Gesicht. »Es tut mir leid.«
Ein Buch plumpste ihm auf den Schoß. Es hatte einen verfärbten Hülleneinband, ein ans Umschlagleder genähtes Stofftuch, mit dem sich das Werk einwickeln ließ. Die Bindung löste sich bereits, die Seiten wellten sich. Eine eiserne Spange diente als Verschluss des Buchs. Nairod strich über die Oberfläche. Auf dem brüchigen Einband schien ein Muster aufgemalt zu sein. Feine, kaum noch erkennbare Formen zogen sich darüber, aber durch das abgewetzte Leder war die Zeichnung längst eingeebnet und unkenntlich. Er drehte das Buch herum. Eine Rückseite gab es nicht – es hörte einfach mittendrin auf. Er hielt dort, wo die Rückseite hätte sein müssen, nur eine zerknitterte Seite in der Hand. Das Leder des Rückens war gebrochen und zerrissen.
»Das Buch ist ja nicht einmal ganz«, sagte er leise, die Augen noch immer auf den Einband gerichtet.
»Du hast vergessen, dich darüber zu beschweren, dass ich es dir überhaupt gebe.«
Er schaute überrascht auf.
»Na?«, fragte sie.
»Ich werde es mir einmal ansehen«, sagte er schnell. Er bemerkte, dass seine Finger weiter über den Einband strichen. Rasch legte er das Buch beiseite. »Was soll das eigentlich sein? Ich meine, es hat gar keinen Titel.«
»Er steht nur nicht drauf. Ich habe es von einer fahrenden Händlerin, und sie sagte mir, es heiße Eikyuuno . Ein Wort aus einer Sprache, von der ich noch nie gehört habe. Es soll jedenfalls in unserer Sprache Ewig bedeuten.«
» Ewig .« Nairod betrachtete den brüchigen Einband. »Das ist doch kein Name für ein Buch. Und die Hälfte der Seiten fehlt auch.«
»Siehst du, du interessierst dich ja schon dafür, und dabei hast du noch nicht einmal angefangen zu lesen.«
Nairod steckte eilig die Hände in die Taschen und ließ sich betont langsam ein Stück die Bank herunterrutschen, in eine fast liegende Position. »Das werde ich vielleicht auch gar nicht. Worum geht es denn auf diesen vielen zerknitterten Seiten?«
»Das musst du selbst herausfinden. Ich weiß es auch nicht, ich habe es noch nicht gelesen.« Lenia wippte mit den Beinen und lächelte. »Na ja, ein wenig. Es ist gut, und auch wenn es nicht komplett ist … Ich glaube, es ist genau das Richtige für dich. Keine trockene Abhandlung.«
»Das heißt wohl, genau das Richtige, um mich nach der Lektüre auf die Schulbank zurückzubringen. Das kannst du aber vergessen. Dahin bekommt mich kein Buch, und du auch nicht. Sowieso nicht. Vielleicht lese ich es mir mal durch, irgendwann.« Er winkte ab.
Lenia setzte ein geheimnisvolles Lächeln auf. »Sicher.« Sie schlüpfte in die Trageriemen ihres Rucksacks und wuchtete sich das Gewicht auf den Rücken. »Ich muss jetzt wieder zurück, wir haben
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