Magie der Sehnsucht - Roman
viel ähnlicher, als Außenstehende es vermuteten.
Abgesehen von Selenas bizarrer Neigung zum Okkultismus – und ihrem unersättlichen Appetit auf Sex.
Nun trat sie neben Grace, drückte ihr das Buch in die Hände, obwohl Grace sich dagegen zu wehren versuchte, und blätterte darin.
Grace bemühte sich, den großen Band nicht fallen zu lassen – und nicht zu stöhnen.
»Das habe ich neulich in der alten Buchhandlung beim Wax Museum gefunden, unter einer dicken Staubschicht.
Eigentlich suchte ich dieses Buch über Psychometrie – und dabei stieß ich auf das da. Voilà! « Triumphierend zeigte Selena auf die Seite, die sie aufgeschlagen hatte.
Grace starrte das Bild an und schnappte nach Luft. So etwas hatte sie noch nie gesehen. Was für ein faszinierender Mann … Schockierend in der detaillierten Darstellung … Wäre das Buch nicht so alt gewesen, hätte sie die Zeichnung für das Foto einer antiken griechischen Statue gehalten – nein, eines griechischen Gottes, verbesserte sie sich. So wunderbar konnte kein Sterblicher aussehen.
In seiner nackten Pracht strahlte der Mann unbesiegbare Stärke, Autorität und eine unverhohlene animalische Sinnlichkeit aus. Trotz der lässigen Pose glich er einem lauernden Raubtier – stets bereit, einen Gegner anzugreifen. Ausgeprägte Sehnen und Adern bezeugten eine verheißungsvolle Kraft, die einer Frau reines Entzücken schenken konnte.
Als Grace die wohlgeformten Muskeln betrachtete, wurde ihr Mund trocken. In perfekter Proportion zur Größe und zum idealen Körperbau des Mannes traten sie hervor. Ihr Blick glitt über die tiefe Furche in der Mitte seiner Brust zum Waschbrettbauch hinunter, der die Liebkosung einer Frauenhand herausforderte, zu seinem Nabel – und dann zu …
Offensichtlich hatte es der Künstler nicht für nötig befunden, dort ein Feigenblatt anzubringen. Warum auch? Wer sollte den Wunsch verspüren, so reizvolle maskuline Attribute zu verhüllen?
Und welche Frau würde irgendwelche Geräte mit Batterien brauchen, wenn sie ein so hinreißendes Exemplar männlicher Vollkommenheit im Haus hatte? Grace leckte über ihre Lippen und schaute wieder in sein Gesicht.
Während sie die markanten Züge musterte, die den Anflug eines teuflischen Lächelns zeigten, glaubte sie, eine Brise würde seine goldenen, von der Sonne geküssten Locken bewegen. Schimmernd schmiegten sie sich an den Hals, der weibliche Lippen anlockte. In den stahlblauen Augen lag ein intensiver Glanz. Einen eisernen Speer hoch über dem Kopf erhoben, schien die heldenhafte Gestalt einen Kriegsruf auszustoßen.
Plötzlich fühlte sie eine Regung in der schwülen Luft. Als würde irgendjemand ihre nackten Schultern streicheln … Beinahe hörte sie das tiefe Timbre seiner Stimme, fühlte starke Arme, die sie an seine felsenharte Brust pressten, sein warmer Atem streifte ihr Ohr. Über ihren ganzen Körper wanderten zielstrebige Hände, suchten die intimsten Regionen …
Ein wohliger Schauer rann ihren Rücken hinab, in ihrem Innern pochten und vibrierten seltsame Emotionen. Nie zuvor hatte sie ein so wildes Verlangen gekannt.
Verwirrt wandte sie sich zu Selena, um herauszufinden, ob das Bild des Mannes auch ihre Sinne betörte. Falls das zutraf, ließ sich die Freundin nichts anmerken.
Leide ich an Halluzinationen? Ja, das muss es sein, entschied Grace. Die Gewürze der roten Bohnen waren ihr zu Kopf gestiegen, verwandelten ihr Gehirn in dünnen Brei und verscheuchten alle klaren Gedanken.
»Nun, was hältst du von ihm?«, fragte Selena und schaute sie prüfend an.
Mit einem Achselzucken versuchte Grace zu überspielen, dass sein Anblick ihr Blut in Wallung gebracht hatte. Aber die Zeichnung fesselte ihren Blick immer noch. »So ähnlich sieht ein Patient aus, der gestern zu mir kam.« Was nicht stimmte. Er war zwar attraktiv, konnte sich aber nicht einmal annähernd mit diesem Gott
messen. Noch nie war ein so bildschöner Mann in ihr Leben getreten.
»Wirklich?« Selenas Augen verdunkelten sich und kündigten einen endlosen Vortrag über Kismet und schicksalhafte Begegnungen an. »Und wie …«
»Ja«, fiel Grace ihr hastig ins Wort, »er hat behauptet, er sei eine Lesbierin, gefangen in einem Männerkörper.«
Selena blinzelte misstrauisch, nahm ihr das Buch aus den Händen und klappte es zu. »Was für unheimliche Leute du kennst …«
Vielsagend zog Grace die Brauen hoch.
»Sag es nicht!«, mahnte Selena, setzte sich an ihren Tisch und legte das Buch darauf. Dann
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