Magie der Sehnsucht - Roman
kalt. »Wenigstens spuckt sie mir nicht mit ihrem letzten Atemzug ins Gesicht.«
Sie hatte ihn verletzt. Das las Grace in seinen Augen. Aber er hatte auch ihr wehgetan – ganz schrecklich. »Auf bald, Lanie«, sagte sie leise und ließ Julian stehen.
Während er Grace nachschaute, stieß Selena langsam den Atem aus, den sie angehalten hatte. Reglos stand er da.
»Zwei Schüsse, zwei Treffer«, seufzte sie. »Mitten in die Herzen.«
Julian warf ihr einen feindseligen Blick zu. »Erklären Sie es mir doch, weises Orakel! Was hätte ich sagen sollen?«
»Das weiß ich nicht«, erwiderte sie. Bedrückt mischte sie ihre Karten. »Aber ich glaube, mit der Ehrlichkeit liegt man niemals falsch.«
Julian rieb sich die Augen und setzte sich auf den Stuhl vor dem Tisch. Natürlich hatte er Grace nicht verletzen wollen.
Und er würde niemals ihre verächtlichen Worte vergessen. Rühr mich nicht an. Sonst kriege ich eine Gänsehaut.
Als er tief durchatmete, brannten seine Lungen. Die Schicksalsgöttinnen verhöhnten ihn immer noch. Wahrscheinlich langweilten sie sich da oben auf dem Olymp.
»Soll ich Ihnen die Karten legen?« Selenas Vorschlag holte ihn aus der Vergangenheit zurück.
»Warum nicht?« Sicher würde sie ihm nichts Neues erzählen – er wusste schon alles.
»Was möchten Sie erfahren?«
»Werde ich jemals …« Nach einer kurzen Pause stellte er ihr dieselbe Frage wie einst dem Orakel von Delphi. »Werde ich den Fluch jemals besiegen?«
Selena mischte die Karten und legte drei auf den Tisch. Bestürzt beugte sie sich vor.
Diese Karten musste sie nicht deuten. Deutlich genug sah er den Turm, den ein Blitz traf, drei Schwerter in einem Herzen und einen Dämon, der zwei Menschen in Ketten gelegt hatte. »Nicht so schlimm«, flüsterte er. Ich habe ohnehin nie an meinen Erfolg geglaubt.«
»Nein, Julian, die Karten sagen etwas anderes – Sie müssen einen harten Kampf bestehen.«
Da lachte er bitter. »Daran bin ich gewöhnt.« In einem Kampf würde er nicht sterben. Nur der Schmerz in seinem Herzen würde ihn töten.
Als Grace in die Zufahrt ihres Hauses bog, wischte sie die Tränen von ihren Wangen. Mit zusammengebissenen Zähnen stieg sie aus dem Auto und warf die Tür zu.
Zum Teufel mit Julian! Sollte er doch für immer in seinem Buch dahinvegetieren! Sie war kein Gebrauchsgegenstand, der einfach nur seinen Bedürfnissen diente.
Wie konnte er nur … Mit bebenden Fingern sperrte sie die Tür auf. »Und was soll er sonst tun?«, wisperte sie. Allmählich verebbte ihr Zorn, und sie erkannte ihre Unvernunft. Julian war nicht an Pauls grausamer Selbstsucht schuld. Ebenso wenig an ihrer Angst, benutzt zu werden. Das alles durfte sie ihm nicht verübeln – es war ungerecht.
Und doch … So verzweifelt sehnte sie sich nach einem Mann, der sie liebte, der bei ihr bleiben wollte.
Sie hatte gehofft, wenn sie Julian half, würde er seine Zukunft mit ihr verbringen und …
Niedergeschlagen schloss sie die Tür und schüttelte den Kopf. Was sie sich wünschte, war unmöglich. Sie hatte Bens Bericht über das Leben des makedonischen Generals gehört – und was Julian den Kindern über seine Schlacht erzählt hatte.
Und dann erinnerte sie sich, wie er mitten in den dichten Straßenverkehr gestürmt war, um das Leben eines Kindes zu retten.
Wie auch immer – er war dazu geschaffen, große Heere zu kommandieren. In diese Welt gehörte er nicht, sondern in seine eigene.
Sicher wäre es reiner Egoismus, wenn ich ihn hier festhalten würde – wie ein niedliches Haustier, das ich gerettet habe …
Schweren Herzens stieg sie die Stufen hinauf. Sie musste sich einfach nur vor ihm schützen – das war alles, was sie tun konnte. Denn sie wusste es in der Tiefe ihres Herzens – je näher sie ihn kennen lernte, desto mehr würde er ihr bedeuten. Und wenn er sie verlassen wollte, würde sie daran zerbrechen.
Auf halber Höhe der Treppe hörte sie, wie es an der Tür klopfte. Sofort erwachten neue Lebensgeister. Julian … Doch dann öffnete sie die Tür und sah die Umrisse eines kleinen Mannes auf der Veranda – Rodney Carmichael.
Er trug einen dunkelblauen Anzug mit einem gelben Hemd und einer roten Krawatte. Seine kurzen schwarzen Haare waren glatt nach hinten gekämmt. Strahlend lächelte er sie an. »Hi, Grace.«
Nur mühsam verbarg sie ihre Furcht. Von diesem schmächtigen Mann ging eine seltsame, bedrohliche Aura aus. »Was machen Sie hier, Mr Carmichael?«, fragte sie kühl.
»Oh, ich wollte
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