Magie der Sehnsucht - Roman
bewiesen.
Bei der Siegesfeier tranken sie einander unter den Tisch. Und am Morgen waren sie erwacht – und befördert worden.
Von all den Menschen, die Julian in Makedonien gekannt hatte, vermisste er Kyrian am schmerzlichsten – seinen einzigen treuen Freund.
»Dieser Ring ist ein Geschenk gewesen«, erklärte er nun.
Voller Ehrfurcht betrachtete Ben das Schmuckstück an Julians Hand. »Würden Sie ihn verkaufen? Für eine beträchtliche Summe.«
»Niemals«, entgegnete Julian und dachte an die Wunden, die er bei der Verteidigung von Themopolis erlitten hatte. »Sie ahnen gar nicht, Sir, was ich durchmachen musste, um diesen Lohn zu erhalten.«
Wehmütig schüttelte Ben den Kopf. »Ich wünschte, jemand würde mir so etwas schenken. Wissen Sie, wie viel der Ring wert ist?«
»Mein Gewicht in Gold – als ich ihn zuletzt schätzen ließ.«
Lachend warf Ben seinen Kopf in den Nacken und schlug mit der Faust auf Selenas Kartentisch. »Sehr gut! Lösegeld für Kommandanten in Kriegsgefangenschaft?«
»Für Krieger, die zu feige waren, um im Kampf zu sterben.«
Der Lehrer schaute Julian respektvoll an. »Wissen Sie, wer den Ring früher besaß?«
Nun meldete sich Selena wieder zu Wort. »Julian von Makedonien. Haben Sie schon einmal von ihm gehört, Ben?«
»Meinen Sie das ernst?« Bens Kinnlade klappte nach unten. »Wissen Sie denn, wer das wahr?«
Statt zu antworten, zuckte Selena nur die Achseln.
Da er vermutete, sie hätte keine Ahnung, fuhr er fort: »Hesiod schrieb, Julian sollte die Nachfolge Alexanders des Großen antreten. Sein Vater war Theokles von Sparta, auch unter dem Namen ›Theokles der Schlächter‹ bekannt. Neben diesem Mann würde der Marquis de Sade wie Ronald McDonald aussehen. Einem Gerücht zufolge wurde Julian von Aphrodite und General Theokles gezeugt, nachdem er einen ihrer Tempel vor der Entweihung bewahrt hatte. Aber in jüngeren Zeiten setzte sich die Theorie durch, seine Mutter sei eine von Aphrodites Priesterinnen gewesen.«
»Tatsächlich?«, fragte Grace.
Seufzend verdrehte Julian die Augen. »Wer Julian war, interessiert niemanden. Schon vor langer Zeit ist der Mann gestorben.«
Aber Ben beachtete ihn nicht und fuhr fort, mit seinem Wissen zu prahlen. »Den Römern war er als Augustus Julius Punitor bekannt …« Zu Grace gewandt, erläuterte er: »Julian der Große Rächer. Zusammen mit Kyrian von Thrakien hinterließ er während des vierten Krieges zwischen Makedonien und Rom eine blutige Spur in ausgedehnten Regionen des Mittelmeers. Er verachtete Rom und gelobte, sein Heer würde die Stadt vernichten. Beinahe wäre es Julian und Kyrian gelungen, die Römer in die Knie zu zwingen.«
In Julians Kinn zuckte ein Muskel. »Wissen Sie, was mit Kyrian von Thrakien geschah?«
Ben stieß einen Pfiff aus. »Trotz aller Heldentaten fand er ein unrühmliches Ende. Im Jahr 47 vor Christi wurde er von den Römern gefangen genommen und gekreuzigt.«
Mit gesenktem Blick berührte Julian den Generalsring. »Wahrscheinlich zählte er zu den besten Kriegern, die jemals gelebt hatten. Er liebte den Kampf wie kein anderer Mann, den ich zu meiner Zeit kannte.« Traurig schüttelte er den Kopf. »Einmal durchbrach er mit seinem Streitwagen einen Schutzwall der Römer. Bei diesem triumphalen Sieg erlitt sein eigenes Heer nur geringfügige Verluste.« Skeptisch runzelte er die Stirn. »Dass er gefangen genommen wurde – das kann ich kaum glauben.«
Ben hob lässig die Schultern. »Nach Julians Verschwinden war Kyrian der einzige makedonische General, der imstande war, ein Heer zu befehligen. Deshalb jagten ihn die Römer unerbittlich und gnadenlos.«
»Was wurde aus Julian?«, fragte Grace, um zu erfahren, was die Historiker über jene Ereignisse herausgefunden hatten.
Julian starrte sie mit schmalen Augen an.
»Das weiß niemand«, sagte Ben, »eines der größten Geheimnisse der Antike … Eben noch ein unbesiegbarer Feldherr – und plötzlich verschwindet er spurlos, im Alter von zweiunddreißig Jahren.« Ben klopfte mit einem Finger auf Selenas Tisch. »Zuletzt wurde Julian bei der Schlacht von Conjara gesehen. Mit einem brillanten Schachzug veranlasste er Livius, seine vermutlich uneinnehmbare Stellung aufzugeben. Das war eine der schlimmsten Niederlagen der römischen Geschichte.«
»Wen interessiert das schon?«, murrte Julian, aber Ben ignorierte die Unterbrechung.
»Nach der Schlacht ließ er Scipio dem Jüngeren angeblich mitteilen, er würde sich an ihm für den
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