Magie und Schicksal - 2
auf. Und da endlich begreife ich.
»Gareth!« Ein Lächeln breitet sich auf meinem Gesicht aus. Es fühlt sich merkwürdig fremd an, denn während der letzten neun Tage hatte ich nicht viel zu lachen. »Was machst du denn hier?«
Sein Haar glänzt sogar in dem trüben grauen Licht golden, und er ist genauso sonnengebräunt wie auf unserem Weg nach Chartres. Ich frage mich wieder, wie er derart braun werden kann, wo es die Sonne über dem wolkenverhangenen
englischen Himmel so schwer hat, den Boden mit ihren Strahlen zu verwöhnen.
Sein Lächeln ist noch wärmer und herzlicher als meines. »Bruder Markov hat verlauten lassen, dass eine hochrangige Schwester eine vertrauenswürdige Eskorte braucht. Keine Schwester kommt dir an Bedeutung gleich, Mylady, und kein Bruder ist so vertrauenswürdig wie ich.« Er unterstreicht seine Behauptung mit einem Augenzwinkern und ich muss laut lachen.
Dimitri verschränkt die Arme vor der Brust und räuspert sich vernehmlich.
Gareth streckt die Hand aus. »Anwesende natürlich ausgeschlossen. «
Dimitris Gesicht bleibt verschlossen, und ich frage mich schon, ob der Funke Eifersucht, der auf unserer Reise nach Chartres die Stimmung getrübt hat, wieder entflammt ist. Aber eine Sekunde später grinst er und nimmt Gareths ausgestreckte Hand.
»Schön, dich zu sehen, Bruder. Danke, dass du gekommen bist.«
»Das hätte ich um nichts in der Welt verpassen wollen.« Gareth packt einen Balken des Anlegers mit einer Hand, um das Boot im Gleichgewicht zu halten, und streckt die andere nach uns aus. »Jetzt kommt an Bord. Es ist ein langer Weg nach Irland. Wir sollten das Tageslicht ausnutzen. «
Reglos starre ich auf seine Hand. Das Segelboot ist lediglich mit einer leichten Takelage ausgerüstet und ein
paar Planken als Sitze. Es ist nicht groß und das Wasser ist dunkel und schlammig. Gewässer machen mich immer unruhig, aber diesmal ist es schlimmer. Diese Situation erinnert mich an die Überfahrt nach Altus, an die ich nicht denken kann, ohne die Angst wieder zu spüren, als der Kelpie mich in die dunkle Tiefe zog, nachdem ich seine schimmernde Haut berührt hatte.
Gareth schaut mich ruhig an. »Komm, Mylady. Du bist doch viel zu tapfer, um dich von den Seelen und ihren Handlangern ängstigen zu lassen. Außerdem«, fügt er hinzu, »muss die Herrin von Altus stets ihre Furcht überwinden.«
Ich nehme seine Hand und steige ins Boot. »Noch bin ich nicht die Herrin von Altus«, murmele ich.
»Ja, ja«, sagt Gareth und führt mich zu einem Sitz. »Das hast du schon erwähnt.«
Dimitri springt hinter uns an Bord und nach wenigen Augenblicken hat Gareth die Leinen gelöst. Wir gleiten vom Anleger weg, während Dimitri und Gareth sich an den Segeln zu schaffen machen. Ich frage mich, ob es irgendetwas gibt, was Dimitri nicht kann.
Ich beobachte das Wasser und halte mich dabei so weit wie möglich davon fern. Ich denke an das kristallklare Meer, so glatt wie ein Spiegel, in dem Altus liegt. Dieser Ozean hier ist ganz anders. Die trübe und von Seetang übersäte Wasseroberfläche lässt sich von Blicken nicht durchdringen, und hin und wieder schlägt ein Stück Treibgut an den Rumpf des Bootes. Ich will gar nicht wissen, was sich unter der Oberfläche befindet.
Es ist schon nach Mittag, als wir den Hafen hinter uns lassen. Dimitri und Gareth setzen sich schließlich hin und wir nehmen ein ausgedehntes Mahl ein, während sie Neuigkeiten aus Altus austauschen. Gareth weiß zu berichten, dass Ursula um Unterstützung für ihre Kandidatur als Herrin von Altus wirbt, in der Hoffnung, dass ich versage. Als entfernte Verwandte von mir ist sie nach mir die Nächste, die die Führung der Schwesternschaft für sich beanspruchen kann, sollte ich nicht in der Lage sein, den Platz einzunehmen, der seit Tante Abigails Tod verwaist ist. Es ist kein Geheimnis, dass Ursula nach der Macht strebt, die von Rechts wegen mir gehört. Und sie will, dass ihre Tochter Astrid ihre Erbin wird.
Mit gerunzelter Stirn lausche ich den Neuigkeiten von der Insel, die ich so lieb gewonnen habe. Es versetzt mich in große Unruhe, dass Ursula nach der Macht strebt, während ich mein Leben und das meiner Freunde riskiere, um die Prophezeiung zu beenden, die uns alle in ihrem Würgegriff hält.
Aber andererseits ist diese Vorstellung genau der Ansporn, den ich brauche.
Ich kann es mir nicht leisten, mich meiner Angst vor Samaels Monstern, vor den Seelen oder vor meiner eigenen dunklen Seite zu beugen. Es steht zu
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