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Magie und Schicksal - 2

Magie und Schicksal - 2

Titel: Magie und Schicksal - 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Zink
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wird schwächer, und dann schiebt sie den Arm von ihrem Gesicht, gestattet mir den Blick auf ihr tränennasses Antlitz. Sie scheint mich direkt anzuschauen, obwohl ich in dem schwachen Licht nicht einmal das Grün ihrer Augen erkennen kann. Sie liegen im Schatten und sind so schwarz wie Ebenholz.
    Ich betrachte sie aufmerksam, sehe, wie sich ihre Lippen bewegen. Ich beuge mich noch näher, um ihre geflüsterten Worte zu verstehen. Und als ich begreife, was sie sagt, zucke ich zurück, als hätte mich eine Schlange gebissen.
    »Es ist alles deine Schuld. Er wird niemals eine andere lieben, am allerwenigsten mich.«
    Ich schlucke meine Angst hinunter; selbst jetzt, wo sie krank vor Verzweiflung vor mir liegt, fürchte ich sie. Ich rede mir ein, dass sie mich nicht sehen kann, aber dann spricht sie wieder und ihr Blick verschränkt sich in meinem. Ich fühle mich mit einem Mal wie in einem seltsamen und gefährlichen Traum gefangen.
    »Ich sehe dich.« Ihre Stimme ist leise und singend und erinnert mich an das kleine Mädchen, von dem ich das
Medaillon bekommen habe. »Ich weiß, dass du dich an meinem Leid ergötzt, Lia, aber sei dir über eins im Klaren: Wenn ich James nicht haben kann, dann habe ich wahrhaftig nichts mehr zu verlieren.«

14
    D ie Küste ist anders, als ich sie mir vorgestellt habe, aber ich bemerke es kaum, so müde bin ich. Neun Tage auf dem Rücken meines Pferdes, dazu acht kalte, traumschwangere Nächte haben mich an den Rand der völligen Erschöpfung gebracht. Als wir die Pferde den Männern übergeben, die wir vor Antritt unserer Reise angeheuert haben, freue ich mich auf die Abwechslung, die uns die Überfahrt nach Irland verspricht. Ich küsse Sargent auf die Nase, tätschle seine Flanke und nehme dann Dimitris ausgestreckte Hand.
    »Wir sind am Kai mit unserem Führer verabredet«, sagt er und führt mich an den Haufen mit Unrat, faulenden Fischköpfen und stinkenden Gräten und an den schmutzstarrenden Straßenkindern vorbei, die den Hafen bevölkern.
    Der Gestank ist überwältigend, aber ich tue unbeeindruckt. Nicht jeder ist so glücklich, ein Leben in Luxus in einem Haus wie Milthorpe Manor zu führen. Trotzdem –
die grobschlächtigen Männer beäugen mich mit hungrigen Blicken, und innerlich fürchte ich um unsere Sicherheit. Ich packe den Riemen, an dem mein Beutel hängt, fester, und spüre die tröstliche Nähe meiner Waffen.
    Im Gehen schaue ich zu Dimitri auf. »Aber wie sollen wir unseren Führer erkennen?« Ich senke meine Stimme. »Wie können wir sicher sein, dass es keiner der Seelen ist? Es wäre ein Leichtes, uns in der Maske eines Führers aufzulauern. «
    Dimitri lächelt mich schelmisch an. »Das wirst du schon sehen.«
    Ich seufze, als ein Junge von etwa sechs Jahren mit ausgestreckter Hand auf uns zukommt. »Hamse was übrig für mich, Miss?«
    Seine Wangen sind eingefallen und seine Kleidung hängt in Fetzen um seinen Körper, aber seine Augen strahlen. Ich greife in meine Tasche und gebe ihm ein Stück Pökelfleisch, das vom Mittagessen übrig geblieben ist. Seine Hand ist nicht schmutzig und schwielig, wie ich erwartet habe, sondern weich und trocken.
    »Ich dank auch schön, Miss!«
    Ich schaue ihm nach, wie er sich trollt, und denke dabei an Henry. So privilegiert sein Leben auch gewesen war, das Schicksal hatte ihn allein schon dadurch gezeichnet, dass er als mein Bruder geboren wurde. Mein Herz wird schwer. Henrys Tod ist ein Schmerz, der niemals vergehen wird.
    »Du vermisst ihn.« Dimitris Stimme lenkt meine Gedanken von Henry ab.

    Ich schaue ihn an. »Woher weißt du, woran ich denke?«
    Er drückt meine Hand und sagt leise: »Ich weiß es einfach. «
    Ich weiche der Zartheit in seinem Blick aus und schaue stattdessen suchend den Anleger entlang, vor dem wir jetzt stehen. Er ist alt und brüchig, das Holz ausgebleicht und zersplittert von so manchem Sturm. Wir gehen ihn bis zu seinem Ende. Dahinter ist nichts als Wasser.
    »Bist du sicher, dass wir …«
    Dimitri seufzt. »Wir werden unseren Führer erkennen, Lia. Das verspreche ich dir.«
    Ich unterdrücke einen Anflug von Ärger, obwohl ich nicht weiß, ob er daher rührt, dass Dimitri mich nicht hat ausreden lassen oder dass er wusste, was ich fragen wollte.
    Wir bleiben vor einer Einbuchtung des Anlegers stehen, und als ich mich vorbeuge, sehe ich ein kleines Segelboot dort festgemacht. Der Skipper ist über den Bug gebeugt, wie es scheint in höchster Konzentration. Als er uns hört, richtet er sich

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