Magie und Schicksal - 2
hat.
»Guten Tag.« Sie hat diesen typischen, weichen irischen Akzent. Sie nickt leicht. »Sie müssen Mr Markov und Gesellschaft sein.«
Dimitri nickt und wirft mir einen schnellen Blick zu. Wir haben vereinbart, dass wir uns nur bei den Vornamen nennen. Dimitri hat alle Abmachungen bezüglich unserer Reise in seinem Namen getroffen. Es ist gewiss das Beste, so wenig wie möglich preiszugeben – sei es über den Zweck unserer Reise oder über meine Identität.
»Dies sind meine Begleiter, Lia und Gareth.« Dimitri nickt uns beiden zu. »Gareth wird nur eine Nacht bleiben.«
Enttäuscht schaue ich Gareth an. Ich sollte mich eigentlich nicht wundern, denn Gareth weiß nichts über den Grund unseres Aufenthalts in Loughcrew. Wie zuvor, als wir die fehlende Seite des Buchs suchten, darf Gareth nur das Nötigste erfahren. So wollte es Tante Abigail und so wird es gemacht.
»Bitte kommen Sie herein.« Das Mädchen tritt zurück und gestattet uns, ins Haus einzutreten. Dann schließt sie hinter uns die Tür. »Ich bin Brigid O’Leary. Mein Vater erwartet Sie im Salon.«
Sie dreht sich um und wir folgen ihr durch einen Korridor.
An den Wänden flackern Kerzen und werfen tanzende Lichter in Brigids Haar. Zuerst dachte ich, es sei blond wie Sonias, aber jetzt erkenne ich, dass es einen warmen Kupferton hat.
Der Korridor ist schmal und spärlich beleuchtet. Neugierig spähe ich in die Zimmer, an denen wir vorbeikommen. Die Möbel sind nicht annähernd so kostbar wie in Milthorpe Manor, aber sie wirken gemütlich und gerne benutzt. Mir gefällt das Haus schon jetzt.
»Da sind wir.« Brigid führt uns nach rechts in ein kleines Zimmer. Ein grauhaariger Herr sitzt an einem Lesetisch, ein großes Buch aufgeschlagen vor sich, den Kopf über ein Blatt Papier gebeugt, auf das er konzentriert etwas schreibt. »Verzeih, Vater, aber unsere Gäste sind da.«
Er schaut mit leerem Blick auf. Ich kenne den Ausdruck. So hat mein Vater immer ausgesehen, wenn er sich stundenlang in der Bibliothek vergraben hatte. Es ist der Ausdruck von jemandem, der nur zögernd und widerwillig aus einer anderen Welt zurückkehrt.
»Was hast du gesagt, Tochter?« Er blickt uns verwirrt an, und ich frage mich schon, ob Brigid vergessen hat, ihm von unserer bevorstehenden Ankunft zu berichten.
Ihre Stimme ist sanft. »Unsere Gäste, Vater. Sie sind angekommen. Weißt du noch? Mr Markov hat uns eine Nachricht geschickt, dass er sich bei uns einquartieren möchte, während er die Grabanlage untersucht.«
Dimitri und ich haben uns als Wissenschaftler ausgegeben, die einen umfassenden Bericht über die historische
Bedeutung der Grabanlage verfassen. So können wir uns frei bewegen und Fragen stellen, die uns hoffentlich zu dem Stein führen, ohne allzu viel Verdacht zu erregen.
»Mr Markov?« Er betrachtet uns einen Moment lang mit fragendem Blick, ehe die Erinnerung in seinen Augen aufblitzt. »Ah, ja! Mr Markov. Wir haben Sie erwartet.« Er steht auf und benimmt sich ganz so, als hätte er uns nicht eben noch völlig verständnislos angestarrt.
Er geht geradewegs auf Dimitri zu, den Arm ausgestreckt, und schüttelt ernsthaft seine Hand, ehe er Gareth auf die gleiche Art begrüßt. Aber als er seine Augen auf mich richtet, ist es, als ob ein Vorhang fällt. Ich kann mir nicht helfen: Es scheint mir, als ob Misstrauen in seinem Blick liegt. »Schau mal, Brigid, ein junges Fräulein! Bestimmt kann dir Mr Markovs Begleiterin Gesellschaft leisten. «
Zwei feuerrote Flecken prangen mit einem Mal auf Brigids ansonsten porzellanfarbenen Wangen und sie zieht den Kopf ein. »Aber Vater! Mr Markov und seine Kollegen haben bestimmt viel Arbeit vor sich und keine Zeit, um Müßiggang zu treiben.«
»Ihre Tochter hat recht«, sagt Dimitri. »Wir müssen Fristen einhalten. Das bedeutet, dass wir unsere Forschungsarbeit so rasch wie möglich abschließen und dann wieder abreisen werden. Aber«, und hierbei zwinkert er Brigid freundlich zu, »ich bin sicher, dass wir noch Zeit für das eine oder andere nette Gespräch haben werden.«
Sie nickt ohne rechte Begeisterung.
Mr O’Leary verschränkt die Arme hinter dem Rücken. »Da hörst du’s! Es wird doch schön sein, zur Abwechslung mal die Gesellschaft einer jungen Frau zu haben, Brigid.«
Aber noch während er die Worte ausspricht, wächst in mir die Gewissheit, dass er das alles ganz und gar nicht schön findet, und mir ist plötzlich, als sei ich durch ein Kaninchenloch ins Wunderland gefallen.
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