Magie und Schicksal - 2
unvollendeten Satz auf den Lippen und blanker Überraschung in den Augen. »Lia! Ich … Aber komm doch herein! « Sie tritt zurück und lässt mich ein.
Ich trete in ihr Zimmer und empfinde eine ähnliche Scheu wie bei unserer ersten Begegnung in jenem kerzenerleuchteten Raum, wo sie ihre Seancen abhielt. »Bitte entschuldige. Störe ich dich?«
Sie lacht leise. »Schon gut. Ich dachte nur, es sei Ruth. Luisa klopft nicht an, und du …« Sie verstummt.
»Ich komme dich nicht mehr besuchen«, beende ich den Satz an ihrer Stelle.
Sie nickt langsam.
Ich deute auf einen Sessel vor dem Kamin. »Darf ich?«
»Aber gewiss.« Sie lässt sich in einen zweiten Sessel sinken, und ich muss daran denken, wie ich früher ohne Umschweife in ihr Zimmer gestürmt kam und mich auf ihr Bett geworfen habe. Sonia hat sich neben mich gesetzt und wir haben stundenlang geredet, gelacht und nachgedacht. Es stimmt mich traurig, dass man manchmal erst etwas verlieren muss, um seinen Wert zu erkennen. Ich wünsche mir inbrünstig, dass ich in die Vergangenheit zurückkehren und die Dinge mit mehr Verstand anpacken könnte.
Ich betrachte meine Hände, unschlüssig, wie ich anfangen soll. »Sonia …« Ich hebe den Kopf und schaue sie an. »Es tut mir leid.«
Ihr Gesicht bleibt ausdruckslos. »Du hast dich schon entschuldigt, Lia. Mehr als einmal.«
Ich nicke. »Ja, aber ich glaube, dass ich dir damals noch nicht vergeben konnte.«
»Was völlig verständlich ist. Was ich getan habe, war
unverzeihlich.« Der Schmerz in ihrer Stimme ist nicht zu überhören.
»So hätte es aber nicht kommen dürfen.« Ich greife nach ihrer Hand. »Denn in der Tat war mein Verhalten unverzeihlich. Ich habe unsere Freundschaft mit Füßen getreten, von den vielen Opfern, die du mir zuliebe gebracht hast, ganz zu schweigen. Ich habe dich nicht mit der gleichen Rücksicht und Toleranz behandelt, die du mir entgegengebracht hast. Und am schlimmsten«, sage ich und hole tief Atem, sosehr schmerzt mich die Wahrheit meiner Worte, »am schlimmsten war, dass ich nicht für dich da war, als du mich am meisten gebraucht hast.«
»Ich könnte dasselbe von mir behaupten. Diese Reise durch die Wälder nach Altus …« Ihre Stimme wird leise und ihre Augen sind klar, als sie sich erinnert. »Nun, ich weiß nicht mehr viel. Erst später erfuhr ich, dass du gezwungen warst, wach zu bleiben, damit die Seelen dich nicht als Tor missbrauchen konnten. Daran war ich schuld und ich konnte dir nicht einmal in deinen Qualen beistehen. «
Eine Zeit lang schweigen wir und erinnern uns an diese schreckliche Zeit, als wir beide den Seelen ausgeliefert waren – Sonia, die sich verführen ließ, und ich, die ich Angst hatte, von ihnen im Schlaf heimgesucht zu werden.
Aber wir müssen die Vergangenheit ruhen lassen. Vor uns liegt eine Aufgabe, die unsere ganze Kraft, unsere ganze Konzentration erfordert. Ich schaue zu Sonia und lächele. »Es tut mir wirklich leid, dass ich dir keine bessere
Freundin war, Sonia. Aber wenn du mir verzeihen kannst, möchte ich noch einmal von vorne anfangen. Ich möchte, dass wir wieder die Freundinnen werden, die wir einmal waren.«
Sie beugt sich vor und umarmt mich. »Nichts wäre mir lieber!«
Ich merke genau, dass die Dienstboten miteinander flüstern, als ich das Esszimmer betrete. Obwohl Dimitri und ich uns alle Mühe gegeben haben, seine Anwesenheit in meinem Schlafzimmer geheim zu halten, war es fast unausweichlich, dass jemand der Wahrheit auf die Spur kommt.
Die anderen Mädchen sitzen bereits am Tisch – alle außer Sonia, die sich oben noch umzieht. Ich setze mich neben Brigid und versuche, die scheelen Seitenblicke des Serviermädchens, das mir aufträgt, zu ignorieren. Ich werde den anderen Dimitris Anwesenheit erklären müssen, aber nicht in Anwesenheit der Bediensteten, und so warte ich in aller Ruhe, bis sie serviert haben, und kann nicht umhin zu denken, dass ich die gute Gesellschaft Londons immer weniger mag.
»Hast du gut geschlafen, Lia?« Brigids Stimme reißt mich aus meinen Gedanken, und ich wende mich mit einem Lächeln ihr zu.
»Das habe ich. Sehr gut sogar. Und du?«
Sie erwidert mein Lächeln. »Es ist herrlich, wieder in einem Bett zu schlafen, obwohl mir auch die Zeit in unserem Lager sehr angenehm war.«
»Ich weiß genau, was du meinst.« Ein wenig sehnsuchtsvoll denke ich an die Unbeschwertheit eines Lebens unter freiem Himmel.
Ich zögere nur einen Moment, in dem ich mir überlege, wie ich
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