Magie
sagte die Sklavin. »Es könnte Wochen dauern, all das zu lesen.«
»Können wir sie mitnehmen?«
Vora blickte in die Truhe und verzog das Gesicht. »Sie wird schwer sein.«
Stara griff nach einer weiteren Röhre. »Können wir jemanden herschicken, der sie holt?«
»Was machst du da?«, erklang Kachiros Stimme von der Tür.
Stara erstarrte, den Rücken ihm zugewandt. »Wir dürfen nicht zulassen, dass all seine Arbeit verloren geht«, antwortete sie. Die Lüge stieß ihr sauer auf. Aber auf eine gewisse Art ist es die Wahrheit. Wer weiß, was aus den Karten würde, wenn wir sie hierließen? Vielleicht retten wir sie vor der Zerstörung.
»Du hast recht«, hörte sie ihn sagen. »Das wäre nicht in seinem Sinne. Leg sie zurück in die Röhren.«
Als sie seine Schritte näher kommen hörte, drehte sie sich mit einem hohlen Lächeln zu ihm um. Er nahm die Karten vom Tisch, rollte sie zusammen und schob sie zurück in die Röhre. Die Hälfte der Röhren reichte er Stara, die andere Hälfte gab er Vora, dann hob er mit einem Ächzen die Truhe hoch.
»Lasst uns diese Dinge an einen sicheren Ort schaffen«, sagte er und ging durch die Tür.
Das Tempo, das er auf dem Rückweg vorgab, war sehr schnell, und obwohl Stara und Vora eine geringere Last zu tragen hatten, hatten sie Mühe, mit ihm Schritt zu halten. Die Sonne war untergegangen, und im Zwielicht verblassten alle Farben. Endlich erreichten sie Kachiros Haus und schlüpften hinein. Stara sah die Überraschung auf seinem Gesicht, als er
die große Schar von Frauen im Herrenzimmer sah, die allesamt für die Reise gekleidet waren. Auch die Ehefrauen waren nun dort, ihre Kinder ebenfalls. Stara hatte keine Ahnung, ob sie etwas über das Schicksal ihrer Männer wussten. Diese Neuigkeiten würden später überbracht werden müssen. Mehrere Frauen in der Gruppe waren Sklavinnen, wie Stara wusste, Sklavinnen, die jetzt ähnlich gekleidet waren wie freie Frauen. Tavara war nicht unter ihnen. Aus irgendeinem Grund erfüllte dieser Umstand Stara mit Erleichterung.
Kachiro stellte die Truhe ab. »Wohin geht ihr?«
»Fort aus der Stadt«, antwortete Stara ihm. Sie legte die Karten nieder, trat vor ihn hin und sah ihn forschend an. »Ich wusste nicht, wann oder... ob du zurückkommen würdest, daher habe ich begonnen, unsere Flucht zu organisieren. Ich denke, wir werden für eine Weile außerhalb von Arvice sicherer sein. Chiara hat Freundinnen auf dem Land.« Diese letzten Worte waren natürlich eine Lüge.
Er zog die Augenbrauen hoch und nickte langsam. »Ja. Es wäre sicherer für euch alle. Und du solltest die da mitnehmen.« Er deutete auf die Truhe.
Sie runzelte die Stirn. »Was ist mit dir? Du kommst nicht mit uns?«
Kachiro zögerte kurz, dann schüttelte er den Kopf. »Nein. Die Kyralier können nicht jeden sachakanischen Magier töten und erwarten, dass die Sklaven weiterarbeiten werden. Irgendjemand muss zurückbleiben und versuchen, etwas von dem zu retten, was wir haben, sonst werden wir verhungern.« Er verzog das Gesicht. »Und obwohl ich für Verhandlungen besser tauge als zum Kämpfen, will ich hier sein, falls sich die Chance bietet, sie zu vertreiben oder sogar ein wenig Rache zu üben.«
Ein wehmütiger Stolz durchfuhr Stara. Sie küsste ihn auf die Wange, und als er sie überrascht ansah, bedachte sie ihn mit einem strengen Blick. »Pass auf dich auf. Ich werde dir eine Nachricht schicken, wenn wir Chiaras Freunde erreicht haben.«
Er nickte und lächelte erschöpft. »Pass du auch auf dich auf. Ich sollte mit dir gehen, um dich zu beschützen...«
»Wir werden zusammenhalten, und wir haben Sklaven bei uns, die uns verteidigen«, versicherte Chiara ihm.
»Nun, es ist dunkel draußen, und wir wollen ein wenig Abstand zwischen uns und Arvice bringen, bevor der neue Tag beginnt«, sagte Stara und drehte sich zu den Frauen um. Sie griff nach den Röhren und verteilte sie, dann bückte sie sich, öffnete die Truhe und verteilte auch die gebündelten Notizen.
»Diese Dinge werden doch gewiss die Sklaven für euch tragen«, sagte Kachiro.
Stara brachte es nicht übers Herz, ihm zu erzählen, wie viele Sklaven davongelaufen waren. Sie hatte bereits ein schlechtes Gewissen, dass sie ihn hier zurückließ, in der Stadt. Einen Moment lang fühlte sie sich versucht, ihn zum Mitkommen zu überreden, aber in ihrem Traum von einer wahren Zuflucht kamen Männer nicht vor.
»Mir wäre es lieber, sie würden Proviant und andere notwendige Dinge tragen«,
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