Magier des dunklen Pfades 1 - Die Suche (German Edition)
weitläufige Podest mit dem Altar erreichte.
Das Bild, das sich ihm dort bot, war dazu angetan, einen Schrei des Entsetzens aus seiner Kehle zu reißen. Aber er konnte nicht schreien, und er spürte auch keinen Herzschlag, obwohl es in seiner Brust dröhnen müsste wie die Rudertrommel einer Sklavengaleere.
So blieb ihm nur, über dem Ort des Grauens zu schweben wie ein Funke über einem feurigen Inferno.
Das Bild war zu gleichen Teilen grässlich wie grotesk: Ein Mann lag auf dem Rücken über den Altar gestreckt. Er blinzelte, und sein Mund öffnete und schloss sich. Ein Dolch steckte bis zum Heft in seiner Brust. Zusätzlich hatte man ihm die Beinarterien in Höhe der Leisten aufgeschlitzt, aus denen das Blut strömte, über den durchweichten Stoff seiner Hose den Altar hinab in die Rillen zwischen den hellen Bodenplatten, ein rotes, widerwärtiges Äderwerk.
Neben dem Altar, vom sich ausbreitenden Blut des Sterbenden umgeben, lag eine Frau. Sie hatte die Beine gespreizt, und gedämpfte Schmerzlaute drangen an den Fingern der Hand vorbei, die ein Mann ihr auf den Mund presste.
Sie wand sich, bäumte sich auf, und plötzlich erschien zwischen ihren Schenkeln ein kleiner Kopf, dann Schultern.
Der Mann zog das Neugeborene heraus, ein feuchter, blutiger Klumpen Mensch.
Die Frau erschlaffte. Ihre Brust hob und senkte sich wie ein Blasebalg, während der Mann das Kind in ein Tuch wickelte. Freude malte sich auf seine Züge, als er es kurz ansah. Dann wollte er der Frau aufhelfen.
Ein plötzliches Krachen jedoch ließ ihn herumfahren.
Die Tür eines Nebenraumes flog auf.
Eine Schar Wachen und Priester stürmte auf den Altar zu, die Schwerter blankgezogen, Pfeile auf den schussbereiten Sehnen.
Gehetzt sah der Mann sich um.
Seine Kinnbacken traten hervor, als er sich vor der Frau und dem Neugeborenen positionierte. Die Hände erhoben, erfassten seine glühenden Augen die Soldaten und Priester. Er klatschte die Hände zusammen.
Eine Windfaust erfasste die Heraneilenden. Mit schlenkernden Armen und Beinen wirbelten sie durch die Luft, knallten auf den Boden, gegen Säulen, ein vielkehliges Stöhnen und Wehklagen erfüllte den Tempel. Aber der Zauber hatte nicht alle außer Gefecht gesetzt.
Ein Pfeil sirrte heran, riss dem Mann die Wange auf, ehe er hinter ihm an einer der Säulen zersplitterte. Er zuckte zusammen, fasste sich an die Verletzung. Rasch schüttelte er den Schreck ab, riss erneut die Arme in die Höhe.
Ein zweiter Pfeil hämmerte in seine Schulter, so fest, dass die Spitze am Rücken wieder austrat.
Der Magier schrie und sank zusammen.
Dann waren die Wachen heran. Eine schlug ihn mit dem Knauf ihres Schwertes bewusstlos. Die Frau hob benommen den Kopf. Verzweiflung keimte in ihren Augen.
Während die Soldaten wortlos und mit starren Mienen den Mann fesselten, schwirrten die Priester wie ein aufgestörter Bienenschwarm um den Altar herum.
„Was für ein Frevel!“
„Iros´ Zorn wird euch dafür treffen!“
„Das Feuer wird euch diese Tat herausbrennen!“
Einer der Gottesmänner, stämmig, Vollbart, griff der Frau ins Haar und zerrte sie mit einem Ruck in die Höhe. Sie schrie auf, hing in seinem brutalen Griff. Ihre Füße wischten hektisch auf dem Boden herum, um aufzustehen, doch ein ums andere Mal glitschte sie auf dem Blut aus. Der Priester ließ sie fallen, dann hämmerte er ihr eine Stiefelspitze in die Seite. Rippen barsten. Wimmernd krümmte sie sich.
Der Magier kam wieder zu sich. Blinzelnd wandte er den Kopf.
„Sieh nur, was ihr angerichtet habt!“, schrie der Priester. „Ihr habt den Tempel entweiht! Iros´ Tempel!“ Er trat dem Magier ins Gesicht. Die Nase brach, Blut schoss auf den Boden und vermengte sich mit dem Rot des auf dem Altar Liegenden, aus dem inzwischen das Leben gewichen war.
Das Bild verschwamm.
Plötzlich kreiste er über einer Stadt, über einer freien, unbebauten Fläche, wohl ein Marktflecken, auf dem normalerweise die Stände der Händler und Kaufleute standen. Nun befanden sich dort zwei Scheiterhaufen, umgeben von einer Menschenmenge, die Beschimpfungen und faules Obst auf die Festgebundenen abfeuerten.
Es waren dieselbe Frau und derselbe Mann aus dem Tempel. Ihre Gesichter waren geschwollen, Blutergüsse, aufgeplatzte Lippen, Platzwunden über den Augen, beim Mann so stark, dass er sie kaum öffnen konnte.
Die Frau zerrte an den Fesseln, aber nur für einen Moment, ehe die Kräfte sie verließen. Sie hob den Kopf. Ein Apfel traf sie auf die
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