Magier des dunklen Pfades 1 - Die Suche (German Edition)
war ein freier Mann, losgelöst vom Erbe seiner Eltern! Ihr Fehl war ihre eigene Sache gewesen, etwas, für das sie sich bewusst entschieden hatten. Jeder war seines eigenen Glückes Schmied. Der Alte Bund interessierte ihn nicht, und er hatte nie – nicht einmal im Geringsten – daran gedacht, mehr über diese uralte Gruppierung zu erfahren. Er wusste darüber nicht viel mehr als das gemeine Volk, leidglich die gängigen Sagen und Mythen und Schauermärlein, um kleine Kinder zu erschrecken: mächtige Magier, seltsame, oft blutige Rituale. Wann sie existiert hatten, ließ sich einigermaßen rekonstruieren, aber ihr Zweck, ihre Mission, das lag im Verborgenen. Es war gut, dass die Iros-Kirche sie gestürzt hatte, auch wenn er viele ihrer Ansichten keineswegs teilte.
Und was ist mit den Büchern, Lorgyn? wisperte eine Stimme. Bjarim und Tralvis waren sicher, sie entstammen der Feder eines Magiers des Alten Bundes. Und beinhalten sie nicht Sprüche, die ungleich mächtiger sind als jene, die an den Akademien des Reiches gelehrt werden?
Er schüttelte den Kopf. Es konnte auch ein Zufall sein, der Geniestreich eines Einzelnen, der über eine einmalige Begabung verfügt hatte.
So wie du?
Er blinzelte, fasste sich an den Kopf.
Und wie kannst du die Rituale des Alten Bundes verdammen, wo du selbst eines planst, das Leben fordert? Misst du etwa mit zweierlei Maß?
„Ich will sie doch nur retten“, raunte er plötzlich und erschrak, dass er seinen Gedanken die Stimme geliehen hatte.
Aluna gab ihm einen Puff in die Seite. „Still!“
Lorgyn zuckte zusammen, in seinem Kopf ein Rauschen und Tosen, das er nicht bändigen konnte.
„Was ist denn mit dir?“ Hatten ihre Augen bislang Besorgnis verströmt, wann immer er sich seltsam gebärdet hatte, war es nun Ärger.
Du wirst verstehen, Aluna – und mir dankbar sein.
Lorgyn sah nach vorne.
Ja, dankbar und glücklich, weiterleben zu dürfen …
Genthate hatte seine rhetorische Linie aufgegeben oder verloren. Vielleicht hatte er auch nie eine gehabt, und der Einstieg in seine Predigt war ein Glückstreffer gewesen. Jedenfalls keifte er nur noch herum, spie seine Hasstiraden und Drohungen ewiger Verdammnis dem Alten Bund entgegen. Und natürlich wetterte er auch gegen Magie, da sie in den Augen der Kirche ein Relikt aus den Zeiten des Alten Bundes war – und somit ebenso ein Werk des Bösen. Dann faselte er weiter von Dargolash, dem großen Unheil, das keine Gestalt hatte, eine Art Synonym war für die Ursuppe der Verderbnis und Sünde.
In Lorgyns Augen war das eine weitere Mär. Dargolash – was bitteschön sollte das sein? Und warum sollte der Alte Bund auf Gedeih und Verderb bestrebt sein, das Ende der Welt herbeizuführen, wenn er selbst ebenfalls unterging? Aber das war die Auffassung der Kirche, und jeder glaubte daran. Wie es schien, brauchten viele Menschen diesen namenlosen Schrecken, der sie in Furcht vereinte. Die Kirche nutzte dies nur allzu gern aus. Angst säen und den Glauben der Menschen ernten – und ihr Geld. Eine simple, aber äußerst effektive Taktik.
Lorgyn reichte es und fasste Aluna am Arm. „Komm, wir gehen.“
Erneut glomm Zorn in ihren Augen. „Das wäre überhaupt nicht auffällig, oder?“ Sie schüttelte seine Hand ab. Plötzlich keuchte sie auf und kippte nach vorne. Ein Hustenanfall schüttelte sie durch. Sie wollte Luft holen, aber in immer neuen Wogen beutelte ihre Krankheit sie durch, bis sie zu Boden sank und panisch nach Luft schnappte.
Niemand sprang auf und half ihr. Jeder glotzte nur.
Lorgyn fasste sie unter, wuchtete sie auf die Beine. Plötzliche Wut jagte durch seine Adern, während er Aluna aus dem Tempel schleppte.
Diese kaltherzigen Drecksäcke!
Er bugsierte aus der Tür hinaus und half ihr die Außentreppe hinab, bevor auch ihn die Kräfte verließen. Er legte sie in den Schnee und hielt ihre Hand, während sie sich krümmte, hustete und nach Luft japste. Blut sickerte über ihre Lippen, die sich unter dem roten Strom blau zu färben begannen.
Lähmendes Entsetzen packte Lorgyn, als er das Ausmaß der Situation erfasste.
Sie starb!
„Aluna!“, rief er und sah sich verzweifelt um, doch niemand war da.
Ihre Augen waren groß und voll Todesangst. Das Husten hörte nicht auf. Jemand eilte aus dem Tempel, warf die Tür zu und trampelte die Stufen hinab.
Duria!
Ächzend kniete sich die füllige Heilerin in den Schnee, holte eine Phiole aus ihrer Schafwolljacke und knibbelte den Spund heraus. Ziemlich grob
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