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Magier von Moskau

Magier von Moskau

Titel: Magier von Moskau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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erster das Rad zu drehen!«
    Colombina war überrascht von Petjas Gefühlsausbruch – sie hatte sich eingebildet, der Angriff des Prosektors gelte ihr. Der Schuldige verrät sich selber: Gerade hatte sie sich vorgestellt, daß sie noch heute, gleich jetzt sterben müsse, und das hatte sie mit unerträglicher, zitternder Angst erfüllt.
    Prospero hob die Hand, gebot Schweigen.
    »Keine Bange, ich habe für alles gesorgt.« Er wies auf die Tür. »Dort im Kabinett steht ein Kristallpokal mit Malvasier bereit. In dem Wein ist Zyanid aufgelöst, das edelste der Gifte. Der oder die Auserwählte leert den Hochzeitspokal, geht dann die Straße entlang bis zum Boulevard, setzt |119| sich auf eine Bank schläft nach einer Viertelstunde sanft ein. Das ist ein guter Abgang. Ohne Schmerzen, ohne Bedauern.«
    »Gut durchdacht«, sagte Horatio. »Dann bin ich dafür.«
    Die Zwillinge wechselten einen Blick, und Güldenstern sprach für beide: »Ja, diese Methode gefällt uns besser als der Spiritismus. Mathematische Wahrscheinlichkeit – das ist seriöser als die Stimme der Geister.«
    Jemand berührte Colombinas Ellbogen. Sie drehte sich um – Prinz Gendsi.
    »Wie gefällt Ihnen Prosperos Erfindung?« fragte er halblaut. »Sie haben als einzige nichts gesagt.«
    »Ich weiß nicht«, antwortete sie. »Ich denke wie die anderen.«
    Merkwürdig – sie hatte sich noch nie so lebendig gefühlt wie in diesem Moment, dem vielleicht sehr bald der Tod folgen würde.
    »Prospero ist ein richtiger Magier«, flüsterte sie erregt. »Wer sonst könnte einem Menschen eine derart allumfassende Lebensfreude einflößen? ›Was immer uns Verderben droht, senkt in die Herzen ein Gebot der unerklärlichen Entzückung.‹ Oh, wie wahr! ›Pfand der Unsterblichkeit, vielleicht.‹«
    »Und wenn dieser Totenkopf Sie trifft, trinken Sie dann gehorsam dieses D-Dreckzeug?«
    Colombina stellte sich vor, wie der vergiftete Wein, ein feuriges Bächlein, durch die Kehle in ihren Körper rinnt, und es gab ihr einen Stich. Am schlimmsten wird die Viertelstunde sein, in der das Herz noch schlägt, der Verstand noch wach ist, es aber keinen Rückweg mehr gibt, weil sie schon ein lebender Leichnam ist. Wer wird wann ihren Leichnam auf der Bank entdecken? Womöglich liegt sie dann da mit |120| herausgequollenen Augen und offenem Mund, aus dem ein Speichelfaden hängt?
    Die übermäßig plastische Vorstellung ließ ihre Lippen erbeben.
    »Keine Angst«, flüsterte Gendsi und drückte ihr aufmunternd den Ellbogen. »Der Totenkopf wird Ihnen nicht zufallen.«
    »Warum sind Sie da so sicher?« fragte sie beleidigt. »Meinen Sie, der TOD kann mich nicht auswählen? Bin ich nicht würdig, seine Liebste zu sein?«
    Er seufzte.
    »Nein, unser russischer Boden ist für die Lehre des Herrn Prospero wohl doch nicht geeignet. Was Sie da eben sagten – würdig, die Liebste des Todes zu sein – klingt doch absurd.«
    Colombina begriff, daß er sie aufheitern wollte, und lächelte, was jedoch gequält aussah.
    Gendsi wiederholte, schon ganz ernst: »Keine Angst. Sie werden das Gift nicht schlucken müssen, denn der Totenkopf wird mit Sicherheit mich treffen.«
    »Sie selber haben Angst!« rief sie, ihre eigene Furcht wich augenblicklich der Schadenfreude. Von wegen unerschrockene Persönlichkeit – Angst hatte er. »Sie spielen hier den Übermenschen, doch in Wirklichkeit ist Ihnen, wie allen, jetzt das Herz in die Hose gerutscht!«
    Gendsi zuckte die Achseln.
    »Ich habe Ihnen doch erzählt, daß ich zu Fortuna eine besondere Beziehung habe.«
    Und er ging beiseite.
    Derweil war alles bereit für das Ritual.
    Der Doge gebot mit einer Handbewegung Schweigen. Zwischen Daumen und Zeigefinger hielt er die kleine |121| Kugel, die mit ihrem Glitzern an ein goldenes Sternchen erinnerte.
    »Also, meine Damen und Herren, wer von Ihnen fühlt sich bereit? Wer will der erste sein?«
    Gendsi hob sofort die Hand, aber die Konkurrenten waren noch schneller.
    Caliban und Colombinas schüchterner Anbeter Rosenkranz riefen einstimmig: »Ich! Ich!«
    Der Buchhalter starrte seinen Rivalen an, als wollte er ihn in Stücke reißen. Rosenkranz seinerseits warf Colombina einen stolzen Blick zu, wofür er mit einem zärtlichen, aufmunternden Lächeln belohnt wurde.
    Gendsis zurückhaltende Geste war weder von ihnen noch von Prospero wahrgenommen worden.
    »Sie Jüngelchen!« wütete Caliban. »Wie können Sie es wagen! Ich bin der erste! Älter an Jahren und länger im Klub!«
    Aber der

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