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Magier von Moskau

Magier von Moskau

Titel: Magier von Moskau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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schweigsame Deutsche senkte den Kopf wie ein Stier und dachte nicht daran, nachzugeben.
    Da appellierte Caliban an den Dogen: »Wie kann das sein, mein Lehrer? Ein russischer Mensch kommt im eigenen Land nicht zu seinem Recht! Wohin man spuckt, nur Deutsche und Pollaken und Jidden und Kaukasier! Nicht genug, daß sie einem das Leben vergällen, auch ins Jenseits müssen sie sich vordrängen! Sprechen Sie ein Urteil!«
    Prospero sagte streng: »Schäme dich, Caliban! Meinst du etwa, die Ewige Geliebte messe solchen Nichtigkeiten wie Nationalität oder Glaubensbekenntnis Bedeutung bei? Zur Strafe für deine Grobheit und Intoleranz wirst du als zweiter das Rad drehen, nach Rosenkranz.«
    Der ehemalige Schiffsbuchhalter stampfte ärgerlich auf, wagte aber nicht, aufzubegehren.
    »Erlauben Sie«, ließ sich Gendsi vernehmen, »ich habe die |122| Hand gehoben, schon bevor diese Herren ihren Anspruch a-anmeldeten.«
    »Wir haben hier keine Auktion, wo man mit Gesten signalisiert«, wies der Doge ihn ab. »Sie hätten Ihre Absicht laut verkünden müssen. Sie werden dritter. Natürlich nur, wenn es überhaupt soweit kommt.«
    Damit war die Diskussion beendet. Colombina sah, daß Gendsis Miene sehr unzufrieden und sogar ein wenig beunruhigt war. Sie erinnerte sich seiner gestrigen Drohung, den Klub der »Liebhaber des Todes« auseinanderzujagen. Wie er das wohl anstellen wollte? Die Anwärter kamen ja hier ohne Zwang zusammen.
    Rosenkranz nahm von dem Dogen das Kügelchen entgegen, betrachtete es aufmerksam und bekreuzigte sich plötzlich. Colombina stieß einen mitleidigen Laut aus, so sehr rührte sie diese überraschende Geste. Der Deutsche drehte das Roulette, worauf er etwas tat, was gar nicht zu ihm paßte: Er sah das mitfühlende Fräulein eindringlich an, küßte dann die Kugel und warf sie in das Rad.
    Während es sich drehte – das dauerte eine Ewigkeit –, bewegte Colombina die Lippen: flehte Gott, das Schicksal, den Tod an (sie wußte selber nicht, wen), die Kugel möge nicht in das verhängnisvolle Fach fallen.
    »Achtundzwanzig«, erklärte Prospero ungerührt, und den Anwesenden entrang sich ein einmütiger Seufzer.
    Der bleich gewordene Rosenkranz sagte würdevoll: »Schade.«
    Und trat beiseite. Colombina sah er nicht mehr an, war wohl überzeugt, auch so schon den nötigen Eindruck gemacht zu haben. Um die Wahrheit zu sagen, so war es auch – sie fand Rosenkranz nach dessen verzweifeltem Kuß unheimlich lieb. Nur gehörte ihr Herz – leider – einem anderen.
    |123| »Geben Sie her!« Caliban schnappte sich ungeduldig die Kugel. »Ich spüre, daß ich Glück habe.«
    Er spuckte dreimal über die linke Schulter, drehte aus Leibeskräften das Roulette und warf die Kugel so heftig, daß sie wie ein goldener Grashüpfer über die Fächer sprang und beinahe über den Rand gekullert wäre.
    Alle beobachteten mit angehaltenem Atem das sich allmählich langsamer drehende Rad. Die entkräftete Kugel verhielt bei dem Totenkopf! Der Brust des Buchhalters entrang sich ein Triumphgeheul, doch im nächsten Moment rollte das Goldklümpchen, wie von einer Kraft getrieben, über den Trennungssteg und blieb im Fach daneben liegen.
    Jemand kicherte hysterisch, Petja wohl. Caliban stand da wie vom Donner gerührt.
    »Nicht verziehen! Abgewiesen!« knirschte er und stürzte mit dumpfem Geheul zum Ausgang.
    Prospero sagte seufzend: »Sie sehen, der TOD tut seinen Willen eindeutig kund. Wie ist es, wollen Sie Ihr Glück versuchen?«
    Die Frage war an Gendsi gerichtet. Der verbeugte sich höflich und verrichtete die vorgeschriebene Prozedur rasch, knapp, ohne jede Affektation: drehte leicht das Roulette, warf lässig die Kugel und sah dann gar nicht mehr hin, sondern beobachtete den Dogen.
    »Der Totenkopf!« kreischte die Löwin.
    »Ha! Das ist ein Ding!« schrie Gdlewski.
    Dann schrien und redeten alle durcheinander. Colombina stöhnte unwillkürlich: »Nein!« Sie wußte nicht, warum.
    Doch, sie wußte es wohl.
    Dieser Mann, den sie erst so kurze Zeit kannte, verströmte eine Aura ruhiger, selbstsicherer Kraft. In seiner Nähe wurde es hell und klar, und sie verwandelte sich gleichsam aus der |124| zwischen düsteren Kulissen umherirrenden Colombina wieder in die frühere Mascha Mironowa. Aber es gab wohl keinen Weg zurück, und der verhängnisvolle Wurf Gendsis war dafür der beste Beweis.
    »Meinen Glückwunsch«, sagte Prospero feierlich. »Sie sind ein Glückspilz, wir alle beneiden Sie. Lebt wohl, meine Freunde, bis

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