Magier von Moskau
morgen. Kommen Sie, Gendsi.«
Der Doge drehte sich um, schritt langsam ins Nebenzimmer und ließ die Tür offen.
Bevor Gendsi ihm folgte, drehte er sich zu Colombina um und lächelte ihr zu, wie um sie zu beruhigen.
Es gelang ihm nicht.
Schluchzend lief sie hinaus auf die Straße.
3.
Aus dem Ordner »Agentenmeldungen «
An Seine Hochwohlgeboren Oberstleutnant Bessikow (persönlich)
Gnädiger Herr Wissarion Wissarionowitsch!
Die Geschichte mit den »Liebhabern des Todes« und die Rolle des Dogen bei all diesen Ereignissen zeigt sich in gänzlich neuem Licht.
Ich schreibe diesen Brief in der Nacht, unter dem frischen Eindruck. Bin soeben aus der Wohnung des Dogen zurückgekehrt, wo ich Zeuge wahrhaft erstaunlicher Ereignisse wurde. Oh, wie leicht täuscht man sich in den Menschen!
|125| Ich bitte um Nachsicht für eine gewisse Konfusion, aber ich bin noch immer sehr erregt. Doch will ich versuchen, alles der Reihe nach darzulegen.
Heute wurden die Zusammenkünfte des Klubs, die wegen des verschwundenen Mediums vorübergehend ausgesetzt waren, wieder aufgenommen. Ich hatte zugegebenermaßen angenommen, daß der Verlust der Vestalin den Dogen in Bedrängnis bringen und seiner gefährlichsten Waffe berauben würde, aber er hat sich als höchst erfinderisch und unternehmungsfreudig erwiesen. Er hat einen einfachen Ersatz für den Spiritismus gefunden: ein Roulette, bei dem eines der Fächer mit einem Totenkopf nebst gekreuzten Knochen markiert ist. Der Anwärter, dessen Kugel in das verhängnisvolle Fach mit dem Todessymbol fällt, muß Gift trinken, vom Dogen eigenhändig zubereitet.
Ich war beflügelt, als ich all das hörte, denn ich dachte mir, der Mann, den ich für eine Ausgeburt der Hölle hielt, hätte endlich seine ständige Vorsicht eingebüßt und man könnte ihn nun auf frischer Tat ertappen.
Ich hatte Glück: Gleich heute, am ersten Abend dieses Spiels, das wohl von allen dem Menschen zugänglichen Spielen das riskanteste ist, wurde als Sieger der Stotterer ermittelt, von dem zu berichten ich bereits die Ehre hatte und der Sie so ungemein interessierte. Er ist in der Tat ein außergewöhnlicher Typ, dessen habe ich mich vergewissern können, aber woher ist Ihnen das bekannt? Rätselhaft.
Aber ich schweife ab.
Als alle unsere Leute sich entfernt hatten, versteckte ich mich in der Diele und kehrte später in den Salon zurück, wo die Kerzen und das Kohlenbecken bereits gelöscht waren. Mir kam bestens zustatten, daß der Doge sich aus irgendwelchen ideellen Erwägungen keine Dienerschaft hält.
|126| Mein Plan war ganz einfach. Ich wollte einen direkten Beweis für die Schuld des Dogen erhalten. Dazu genügte es, durch das Eßzimmer zu huschen, die Tür zum Kabinett einen Spaltbreit zu öffnen (sie ist wie alle Türen im Hause mit weichem Leder beschlagen und schließt nicht fest) und zu warten, bis der Hausherr dem Stotterer eigenhändig den Pokal mit dem vergifteten Wein anbot. Nach quälenden Bedenken war ich zu dem Schluß gelangt, daß im Interesse der Sache der Stotterer geopfert werden müsse. Letzten Endes, so überlegte ich, wiegt das Leben eines einzelnen Menschen nicht die Möglichkeit auf, die Gefahr von Dutzenden, wenn nicht Hunderten ungefestigter Seelen abzuwenden.
Ich dachte: Sowie der Stotterer das Gift getrunken hat und, wie abgesprochen, auf den Boulevard geht, um zu sterben, werde ich den Schutzmann rufen, der immer auf dem Trubnaja-Platz steht. Der Tod durch Vergiftung wird von einem offiziellen Vertreter der Behörde festgestellt, und wenn der Stotterer beim Erscheinen des Schutzmanns noch bei Besinnung ist und einen Rest von Gewissen hat, kann er noch gegen den Dogen aussagen. Aber selbst wenn er keine Aussage zu Protokoll gibt, dachte ich, reichen die Tatsache des Todes und meine Zeugenaussage. Ich werde den Schutzmann sofort in die Wohnung des Dogen führen, damit er den Verbrecher festnimmt. Er wird inzwischen kaum dazu gekommen sein, den Pokal auszuwaschen, so daß darin garantiert noch Reste des Zyanids sind. Dazu ein lebender Zeuge – ich. Außerdem das Roulette mit dem Totenkopf.
Sie werden zugeben, dies war nicht schlecht ausgedacht. Jedenfalls hätte der Doge in denkbar ungünstigem Licht dagestanden: Er denkt sich in seinem Haus ein tödliches Spiel aus, an dem er selbst aber nicht teilnimmt; er bereitet ein Gift zu und übergibt es eigenhändig. Und wir hätten das Resultat |127| all dieser Handlungen gehabt: den noch warmen Leichnam. Womit die
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