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Magier von Moskau

Magier von Moskau

Titel: Magier von Moskau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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verwechseln ist. Das gleiche hat König Belsazar erhalten. Es muß wohl Schicksal sein. Dem habe ich zu gehorchen. Lassen Sie mich. Da ist nichts zu machen.‹ Sie sah mich zärtlich an. ›Wir werden uns bestimmt wiedersehen.‹ Das sagte sie sehr ruhig. Da habe ich dumme Gans ihre Hand losgelassen. Saschenka hat mich auf die Wange geküßt, hat sich ein Tuch übergeworfen und ist zur Tür hinaus. Ich hätte sie zurückhalten müssen, aber ich war es nicht gewohnt, sie an etwas zu hindern, wenn sie dieses besondere Aussehen hatte … Hinaus bin ich ihr nicht gefolgt. Erst später habe ich an den Spuren ihrer Absätze festgestellt: Sie ist von der Diele gleich in den Garten, dann zum Fluß und ins Wasser … Ist nicht ein einziges Mal stehengeblieben. Als ob sie dort erwartet wurde.«
    Gendsi fragte rasch: »Als sie gegangen war, haben Sie da nicht in ihr Zimmer geschaut?«
    »Nein. Ich habe hier gesessen bis zum Morgen und gewartet.«
    »Und am Morgen auch nicht?«
    »Nein. Zwei Tage bin ich nicht hineingegangen, ich hab immer wieder bei der Polizei nachgefragt oder an der Pforte gestanden. Zum Fluß zu gehen, dazu hatte ich nicht die Kraft … Erst später, als ich vom Schauhaus zurückkam, wo ich sie identifiziert hab, da bin ich rein und hab aufgeräumt. Jetzt geh ich nicht mehr in ihr Zimmer, laß dort alles, wie es zu ihren Lebzeiten war.«
    »Dürfen wir mal hineinschauen?« fragte Gendsi. »Nur von der T-Tür her. Hineingehen werden wir nicht.«
    Ophelias Zimmer war schlicht, doch gemütlich. Ein schmales Bett mit Metallkugeln, auf dem Bett ein Berg Kissen. |163| Ein Toilettentischchen, darauf nur ein Kamm und ein Handspiegel. Ein alter Schrank aus dunklem Holz, vollgestopft mit Büchern. Am Fenster ein kleiner Schreibtisch mit einem Kerzenleuchter.
    »Die Kersen«, sagte der Japaner.
    Colombina verdrehte die Augen: Der Sohn des Ostens plapperte einfältig daher, was er sah! Sie hatte gelesen, daß primitive Völker diese Gewohnheit hatten. Gleich würde er sagen: Tisch. Bett. Fenster. Aber Masa warf seinem Herrn einen Blick zu und wiederholte: »Die Kersen.«
    »Ja, ich seh’s.« Gendsi nickte. »Du hast recht. Sagen Sie, Serafima Charitonjewna, haben Sie neue Kerzen in den Leuchter gesteckt?«
    »Nein. Sie waren unberührt.«
    »Also hat Ihre Tochter, als sie hereinkam, sie nicht a-angezündet?«
    »Muß wohl so sein. Ich habe alles so gelassen, wie es bei ihr war, nichts verändert. Da, das Buch auf dem Fensterbrett, aufgeschlagen, soll es so bleiben. Ihre Hausschuhe unterm Bett. Das Glas Birnensaft – den hat sie so gern getrunken. Vielleicht schaut ja ihre Seele irgendwann mal hier vorbei, um auszuruhen … Wo soll sie denn sonst hin? Vater Innokenti hat doch verboten, sie in geweihter Erde zu begraben. Sie haben mein Mädchen außerhalb der Friedhofsmauer verscharrt wie einen Hund. Auch ein Kreuz darf ich nicht aufstellen. Er sagt: Ihre Tochter ist eine Sünderin, der nicht vergeben wird. Wieso Sünderin? Ein Engel war sie. Sie hat nur kurze Zeit auf der Erde geweilt, hat mir Freude gemacht und ist wieder zurückgeflogen.«
    Als sie zur Droschke gingen und dann durch die vorabendlich beschatteten Straßen fuhren, brummte Masa unentwegt in seinem gluckernden Idiom wütend vor sich hin. |164| »Hat er plötzlich verlernt, russisch zu reden?« flüsterte
    Colombina.
    »Das ist aus Takt«, sagte Gendsi. »Um Ihre religiösen Gefühle nicht zu verletzen. Er beschimpft die christliche K-Kirche mit wüsten Ausdrücken wegen ihrer Einstellung zu Selbstmördern und deren Angehörigen. Und er hat völlig recht.«
     
    Schwarze Rosen
     
    Vor dem Eingang zu dem Haus in der Powarskaja-Straße, wo noch vor drei Tagen Loreley Rubinstein gewohnt hatte, lagen Berge von Blumen auf dem Gehsteig. Es waren zumeist schwarze Rosen, welche die Dichterin in einem ihrer letzten Gedichte besungen hatte – demselben, das sie an dem Abend bei Prospero zum erstenmal vorgetragen hatte. Es war bald danach im »Musenheim« abgedruckt worden. Zwischen den Sträußen lagen weiße Zettel. Colombina hob einen auf und entfaltete ihn. Darauf stand in zierlicher Jungmädchenschrift:
    Loreley, du bist von uns gegangen,
    Hast den Weg für uns freigemacht.
    Such in Träumen dein Bild zu erlangen,
    Um zu folgen Dir in die Nacht.
    T. R.
    Colombina nahm einen zweiten Zettel und las: »Oh, wie recht du hast, du Liebe, Liebe! Das Leben ist wirklich unerträglich! Olja S.«
    Gendsi las, ihr über die Schulter blickend, mit. Runzelte die schön

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