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Magier von Moskau

Magier von Moskau

Titel: Magier von Moskau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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Ruhe.
    »Ich danke Ihnen, gnädige Frau. Sie haben uns sehr geholfen.«
    Der Japaner machte eine tiefe Verbeugung.
    Colombina sah, daß Gendsi im Vorbeigehen einen Geldschein auf den Tisch legte. Aus Scham? Vielleicht.
    Die Expedition war beendet. Colombina hatte nicht feststellen können, ob Gendsi in sie verliebt war, doch auf dem Rückweg dachte sie nicht daran. Sie war plötzlich unerträglich traurig.
    Sie stellte sich vor, wie ihre Eltern es aufnehmen würden, wenn sie nicht mehr wäre. Bestimmt würden sie weinen, die Tochter beklagen und dann wie Ophelias Mutter sagen: »Sie hat nur kurz auf Erden geweilt und ist wieder zurückgeflogen.« Aber für die beiden würde es leichter sein als für Ophelias Mutter, denn sie hatten ja noch die Söhne Serjosha und Mischa. Die sind nicht so wie ich, tröstete sich Colombina. Kein übermütiger Ostwind würde sie erfassen und gen Sonnenuntergang davontragen, dem Tode entgegen.
    Da überkam sie solches Mitleid, daß ihre Tränen nur so strömten.
    »Na, wie hat Ihnen unsere Expedition gefallen?« fragte Gendsi mit einem Blick auf ihr nasses Gesicht. »Vielleicht wollen Sie doch noch ein bißchen leben?«
    |171| Sie wischte sich die Augen, drehte sich um und lachte ihm ins Gesicht.
    »Vielleicht ja, vielleicht nein.«
    Vor ihrem Haus sprang sie aus der Droschke, winkte lässig und lief mit klappernden Absätzen zur Haustür.
    Sie setzte sich an den Tisch, ohne die Baskenmütze abzunehmen. Tunkte den Federhalter ins Tintenfaß und schrieb ein Gedicht. Es wurden Blankverse wie bei Loreley. In volkstümlichem Stil – wegen der Beamtenwitwe wohl.
    Nicht mit weißem Laken – mit schwarzem Samt
    Ist mein Bett zur Hochzeit bezogen.
    Dieses enge Bett, dieses hölzerne,
    Voller Blumen – Chrysanthemen und Lilien.
     
    Warum, Gäste, meine Lieben, warum trauert ihr?
    Warum wollt ihr Tränen heut vergießen?
    Freut euch lieber daran, wie nun leuchten
    Unterm Kranz meine feinen Züge.
     
    Ach, ihr Armen, Dürftigen, Verblendeten,
    Schaut nur hin, und dann könnt ihr sehen wohl:
    Auf dem Bett, beschienen von Kerzenlicht,
    Liegt ganz nah mein Geliebter neben mir.
     
    Wie ist wunderschön sein Antlitz – göttergleich!
    Und wie glänzen seine Augen sternenklar!
    Seine Finger sind leicht und voll Zärtlichkeit!
    Mit dir ist mir wohl, du mein Bräutigam.
    Was wird wohl Prospero zu diesem Gedicht sagen?

|172| 3.
Aus dem Ordner »Agentenmeldungen «
    An Seine Hochwohlgeboren Oberstleutnant Bessikow (persönlich)
     
    Gnädiger Herr Wissarion Wissarionowitsch!
     
    Ich habe schon immer gewußt, daß es riskant und gefährlich ist, für Sie zu arbeiten, gefährlich sowohl für meinen Ruf als anständiger Mensch als auch – möglicherweise – für mein Leben. Heute haben sich die schlimmsten Befürchtungen bestätigt. Ich weiß allerdings nicht, was mich jetzt mehr peinigt, die physischen Leiden oder das bittere Bewußtsein, wie wenig Sie meine Aufopferung und meine Anstrengungen zu würdigen wissen.
    Ihr wiederholtes Angebot, »meine Selbstkosten großzügig zu erstatten«, lehne ich entrüstet ab, obwohl kaum einer Ihrer hochgestellten »Mitarbeiter« soviel Eifer und Ergebenheit für die Sache aufwendet wie Ihr gehorsamer Diener. Im übrigen ändert meine uneigennützige Korrektheit nichts am Wesen der Sache: Habe ich früher aus prinzipiellen Gründen gegen den Nihilismus gekämpft, so haben Sie aus mir einen vulgären Spitzel gemacht!
    Ist Ihnen gar nicht in den Sinn gekommen, verehrter Wissarion Wissarionowitsch, daß Sie mich unterschätzen? Sie sehen mich als Bauer in Ihrem Spiel, dabei bin ich vielleicht eine Figur ganz anderen Kalibers!
    Ich scherze. Wie sollte schon unsereiner, ein Körnchen, das zwischen die Mühlsteine geraten ist, in den Himmel wachsen können? Und doch könnten Sie mich taktvoller behandeln, höflicher. Immerhin bin ich ein intelligenter |173| Mensch, noch dazu von europäischem Zuschnitt. Betrachten Sie das nicht als Ausfall gegen Sie oder als lutheranischen Hochmut. Ich möchte Sie lediglich daran erinnern, daß einer deutschen »Pfefferwurst« die guten Manieren mehr bedeuten als einem Russen. Sie sind ja auch kein Russe, sondern Kaukasier, aber das ändert nichts am Wesen der Sache.
    Ich habe das Geschriebene noch einmal gelesen, da ist mir vor mir selber ganz schlecht geworden. Was müssen Sie sich wohl amüsieren über meine raschen Übergänge von wollüstiger Selbsterniedrigung zu stolzer Zimperlichkeit!
    Ach, unwichtig. Sie sollen sich nur

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