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Magier von Moskau

Magier von Moskau

Titel: Magier von Moskau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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gezeichneten schwarzen Brauen. Stieß einen Seufzer aus. Läutete entschlossen das Messingglöckchen.
    Ihnen öffnete eine ältliche Dame mit furchtsamem, weinerlichem |165| Gesicht, die sich mit einem Tuch unablässig die feuchte rote Nase wischte. Sie stellte sich als Rosalia Maximowna vor, Verwandte der »armen Ljaletschka«, doch aus dem weiteren Gespräch wurde deutlich, daß sie als Haushälterin oder einfach als Kostgängerin bei Loreley gewohnt hatte.
    Mit ihr redete Gendsi ganz anders als mit Ophelias Mutter – unfreundlich und sachlich. Masa machte überhaupt nicht den Mund auf, er saß unbeweglich am Tisch und starrte Rosalia Maximowna mit seinen Schlitzaugen an.
    Die klägliche Person sah den strengen Herrn im schwarzen Gehrock und den schweigsamen Asiaten verschüchtert und liebedienerisch an. Auf Fragen antwortete sie weitschweifig, mit einer Masse Einzelheiten, so daß Gendsi hin und wieder genötigt war, sie zum Thema zurückzuführen. Sie geriet dann in Verwirrung und blinzelte hilflos. Außerdem wurde das Gespräch entsetzlich gestört durch einen kleinen Hund, eine bösartige Zwergbulldogge, die Masa immerzu ankläffte und nach seinem Hosenbein schnappte.
    »Wie lange leben Sie schon bei Frau Rubinstein?« war Gendsis erste Frage.
    Die Antwort war, schon sieben Jahre, seit Loreley (welche die Dame mal Ljaletschka, mal Jelena Semjonowna nannte) verwitwet war.
    Auf die Frage, ob die Verstorbene schon einmal den Versuch gemacht habe, Hand an sich zu legen, folgte eine lange und verworrene Antwort.
    »Ljaletschka war früher ganz anders. Fröhlich, hat viel gelacht. Ihren Matwej Natanowitsch hat sie sehr geliebt. Sie hatten ein leichtes, glückliches Leben. Kinder schafften sie sich nicht an, sie waren ständig unterwegs: Theater, Jourfixe, reisten häufig in Kurorte, auch nach Paris und in andere |166| ausländische Städte. Nachdem Matwej Natanowitsch gestorben war, hat die Ärmste beinahe den Verstand verloren. Sie hat sogar Gift genommen«, Rosalia Maximowna flüsterte es, »damals ist sie aber nicht daran gestorben. Später hat sie es nicht mehr versucht. Nur ihr Charakter war ganz und gar verändert. Sie fing an, Gedichte zu schreiben, und überhaupt … war sie nicht mehr so richtig bei sich. Wär ich nicht gewesen, hätte sie gar nichts mehr gegessen, nur noch Kaffee getrunken. Glauben Sie, es war leicht, ihr den Haushalt zu führen? Das ganze Geld, das er ihr hinterließ, hat sie für seinen Grabstein ausgegeben. Für ihre Gedichte hat sie ja anfangs nur ganz wenig bekommen, das wurde später immer besser, aber was nützte es? Sie hat jeden Tag einen Zehn-Rubel-Kranz zum Friedhof geschickt, und im Haus war manchmal kein Stück Brot. Wie oft hab ich ihr gesagt: ›Du mußt was zurücklegen für schlechte Zeiten.‹ Aber sie hat nicht darauf gehört. Jetzt ist gar nichts mehr da. Sie ist tot, und von was soll ich nun, bittschön, leben? Die Miete ist bloß bis zum Ersten bezahlt. Ich muß ausziehen, aber wohin?« Sie hielt das Tuch vors Gesicht und schluchzte. »Der Hund ist gutes Futter gewöhnt, feine Leber, Markknochen, Quark … Wer braucht uns beide jetzt noch? Ach, entschuldigen Sie, ich komm gleich wieder …«
    Laut weinend lief sie aus dem Zimmer.
    »Masa, was hast du gemacht, daß der Hund nicht mehr kläfft?« fragte Gendsi. »Vielen Dank, er hat mich sehr gestört.«
    Colombina fiel erst jetzt auf, daß während des ganzen Monologs, der sich einschließlich Schneuzen und Schluchzen ziemlich lange hingezogen hatte, die Bulldogge tatsächlich nicht gekläfft, sondern unterm Tisch nur böse geknurrt hatte.
    |167| Masa antwortete unbewegt: »Hund ssweigt, weil er mein Bein flißt. Haben Sie sson alles geflagt, was Sie wissen mussen? Wenn nich, ich halt noch etwas aus.«
    Colombina blickte unter den Tisch und ächzte auf. Das scheußliche Tier hatte sich am Knöchel des armen Masa festgebissen und schüttelte böse knurrend den dicken Kopf. Der Japaner war ein wenig blaß, quälte sich aber ein Lächeln ab. Ein richtiger Held!
    »O Gott, Masa«, seufzte Gendsi. »Das geht zu weit.«
    Er bückte sich rasch und drückte dem Hund mit zwei Fingern die Nase zu. Der Knirps fauchte und lockerte die Kiefer. Da packte Gendsi ihn am Genick und schleuderte ihn hinaus in die Diele. Gewinsel, hysterisches Gekläff – doch zurück ins Zimmer traute sich der Quälgeist nicht.
    Und da kam auch, ein wenig beruhigt, Rosalia Maximowna wieder herein, doch Gendsi hatte bereits eine ungezwungene Haltung

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