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Magier von Moskau

Magier von Moskau

Titel: Magier von Moskau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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Rücken.
    Sie öffnete die Augen und kniff sie gleich wieder zu.
    Eine elektrische Lampe leuchtete ihr ins Gesicht.
    »Es blendet«, sagte sie kläglich.
    Sogleich legte Gendsi die Lampe auf eine Stufe. Nun sah ihn Colombina, er lehnte am Geländer, einen rauchenden Revolver in der Hand; sein Zylinder war zur Seite gerutscht, und sein Mantel stand offen.
    Colombina fragte flüsternd: »Was war das?«
    Er griff wieder nach der Lampe und leuchtete zur Seite.
    An der Wand saß Caliban. Die starren Augen blickten zu Boden. Aus dem leicht geöffneten Mund floß ein dunkles Rinnsal. Und ein zweites, ganz schwarz, aus einem kleinen runden Loch auf der Stirn.
    Er ist tot, erriet Colombina. In der Hand hatte er ein Messer, doch er hielt es merkwürdigerweise nicht am Griff, sondern an der Klinge.
    »Er wollte es werfen«, erklärte Gendsi. »Das hat er wohl |245| von den Matrosen gelernt, als er zur See fuhr. Aber ich war schneller.«
    Mit den Zähnen klappernd und von Schluckauf geschüttelt, fragte Colombina: »Wes-weshalb? W-Warum? Ich wollte doch sowieso, von selber …«
    Sie dachte: Komisch, jetzt stottere ich und er nicht.
    »Später, später«, sagte Gendsi.
    Er nahm das Fräulein behutsam in die Arme und trug es die Treppe hinauf.
    Colombina schmiegte den Kopf an seine Brust. Sie fühlte sich geborgen. Er hielt sie so sicher und sachkundig in den Armen, als wäre er darin ausgebildet, entkräftete Mädchen zu tragen.
    Sie flüsterte: »Ich bin eine Puppe, ich bin eine Puppe.«
    Gendsi beugte sich herab und fragte: »Wie bitte?«
    »Sie tragen mich wie eine zerbrochene Puppe«, erklärte sie.
    Eine Viertelstunde später saß Colombina, allein, mit hochgezogenen Beinen und in eine Decke gewickelt, im Sessel und weinte.
    Allein – weil Gendsi, nachdem er sie in die Decke gehüllt hatte, gegangen war, um einen Arzt und die Polizei zu holen.
    Mit hochgezogenen Beinen – weil das Zimmer unter Wasser stand, denn die Wanne war übergelaufen.
    Und weinen tat sie nicht vor Angst (Gendsi hatte gesagt, daß sie nichts mehr zu befürchten hatte), sondern vor Kummer. Auf ihren Knien lag wie ein gemustertes Band der tapfere Luzifer, reglos, leblos.
    Colombina strich ihrem Retter über den rauhen kleinen Rücken, schluchzte und schniefte.
    Doch als sie das Gesicht dem Spiegel zuwandte, hörte sie auf zu weinen.
    |246| Sie sah: auf der Stirn eine tiefrote Schramme, die Nase geschwollen, die Augen gerötet, am Hals blaue Striemen.
    Bis Gendsi zurückkam, mußte sie sich wenigstens notdürftig in Ordnung bringen.

3.
Aus dem Ordner »Agentenmeldungen «
    An Seine Hochwohlgeboren Oberstleutnant Bessikow (persönlich)
     
    Gnädiger Herr Wissarion Wissarionowitsch!
     
    Die Epopöe mit den »Liebhabern des Todes« kann man als abgeschlossen betrachten. Ich werde mich befleißigen, Ihnen die Ereignisse des letzten Abends darzulegen, ohne etwas Wesentliches auszulassen.
    Als wir uns zu gewohnter Stunde bei Prospero versammelten, begriff ich sofort: Etwas Außergewöhnliches war vorgefallen. Nicht Blagowolski präsidierte, sondern der Stotterer, und bald wurde klar, daß unser Doge gestürzt war und der neue Diktator die Zügel in seine kräftigen Hände genommen hatte. Freilich nicht für lange und nur zu dem Zweck, die Gesellschaft für aufgelöst zu erklären.
    Von dem Stotterer erfuhren wir die unglaublichen Ereignisse der vergangenen Nacht. Ich werde sie nicht wiedergeben, denn Sie sind zweifellos schon aus Ihren Quellen über alles unterrichtet. Ich nehme an, die Moskauer Polizei und Ihre Männer werden nach dem Stotterer fahnden, um ihn zu befragen; ich für mein Teil werde Ihnen in dieser wenig |247| ehrenhaften Sache nicht helfen. Für mich steht fest, daß dieser Mann richtig gehandelt hat, und wenn er sich nicht mit Vertretern des Gesetzes treffen möchte (eben diesen Eindruck gewann ich aus seinen Worten), ist das sein gutes Recht.
    Daß die Tötung unausweichlich war und in Notwehr geschah, bestätigte auch Colombina, die dem übergeschnappten Caliban (den ich in meinen bisherigen Berichten Buchhalter nannte und dessen richtigen Namen Sie bestimmt schon kennen) beinahe zum Opfer gefallen wäre. Das arme Mädchen hatte den Hals, an dem noch die Spuren der Gewalteinwirkung zu sehen waren, mit einem Schal verhüllt, auf der Stirn schimmerte durch eine dicke Puderschicht ein Bluterguß, und ihre Stimme, sonst so volltönend, war von den verzweifelten Hilferufen ganz heiser.
    Der Stotterer begann seine ausführliche Rede mit der

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