Magierdämmerung 01. Für die Krone - Perplies, B: Magierdämmerung 01 Krone
seine Fingernägel begutachtete.
»Sie werden es nicht glauben, aber das habe ich tatsächlich«, erwiderte Jonathan. »Ich habe eine Einladung auf den Empfang des französischen Botschafters im Savoy Hotel.«
Holmes senkte seine Hand und warf ihm einen vorwurfsvollen Blick zu. »Mein lieber Mister Kentham, wir beschäftigen uns im Augenblick mit einer Angelegenheit, die bedeutend wichtiger ist als der ebenso langweilige wie verlogene Austausch formelhafter Höflichkeiten zwischen Büfett, Tanzparkett und Rauchersalon.«
»Sie meinen, in einer leeren Wohnung herumsitzen und Löcher in die Luft starren?«
»Sie wissen, was ich meine.«
»Aber wie lange wollen wir noch warten und hoffen, dass Whitby und seine Gefährten hier auftauchen?«, fragte Jonathan. »Bis Mitternacht? Bis morgen früh? Abgesehen davon bin ich Ihnen doch ohnehin keine große Hilfe. Ich bin kein ausgebildeter Magier wie Sie.«
»Nehmen Sie sich den Revolver aus Whitbys Schreibtisch.« Holmes deutete mit dem Daumen hinter sich. »Sie wären überrascht, welchen Eindruck solch eine Waffe sogar auf die meisten Magieanwender macht.«
Jonathan seufzte. »Das mag sein. Aber ich würde diese Einladung dennoch gerne wahrnehmen – auch aus beruflichen Gründen. Ja, es mag Sie überraschen, aber es gibt Menschen, die tatsächlich für ihren Lebensunterhalt arbeiten müssen.«
Holmes schnaubte nur, bevor er Jonathan schweigend anblickte. »Wissen Sie, was ich glaube, Mister Kentham?«, sagte er schließlich. »Es geht Ihnen gar nicht um den Empfang und auch nicht um Ihre Arbeit. Sie erhoffen sich vielmehr, bei dieser Gelegenheit einer gewissen Dame zu begegnen, die Ihrem Herzen nicht ganz gleichgültig ist.« Ein triumphierendes Lächeln stahl sich auf die Züge des Magiers.
Jonathans Miene verfinsterte sich. »Holmes, ich habe Ihnen doch gesagt, Sie sollen aufhören, in meinen Gedanken zu lesen.«
»Oh, das war in diesem Fall überhaupt nicht nötig«, erwiderte Holmes leichthin. Er schwang seine langen Beine vom Diwan und setzte sich auf. »Ich habe einfach nur das getan, was mein literarischer Namensvetter aus der Baker Street auch getan hätte: Ich habe eins und eins zusammengezählt.« Er erhob sich und zupfte sich einige eingebildete Flusen von der Jacke. Dann nahm er seinen Schirm, hob den Kopf und warf Jonathan ein verschmitztes Grinsen zu. »Aber wissen Sie was? Für ein schwärmerisches Herz habe ich Verständnis. Ich war schließlich auch einmal jung. Und möglicherweise haben Brown und Sie tatsächlich recht, und wir sollten dieser erkaltenden Spur einstweilen den Rücken zukehren und unsere Vorgehensweise noch einmal überdenken. Kommen Sie, meine Herren!« Forschen Schrittes marschierte er in Richtung Wohnungstür.
Jonathan wechselte mit Randolph einen raschen Blick, dann beeilten sich die beiden, ihm zu folgen. »Einen Augenblick, Holmes. Was haben Sie denn jetzt vor?«
Der Magier drehte sich elegant zu ihnen herum und sagte: »Feiern.«
20. April 1897, 21:37 Uhr GMT
England, London, Strand, Savoy Hotel
Das auf den Ruinen des mittelalterlichen Fürstensitzes des Hauses Savoy errichtete Hotel war erst wenige Jahre alt, und es suchte an Opulenz und moderner Ausstattung seinesgleichen in ganz London – ja wahrscheinlich überhaupt in den Metropolen der westlichen Welt. Am Strand, direkt neben dem ein knappes Jahrzehnt zuvor erbauten Savoy Theater, gelegen, bot es einen wundervollen Blick auf das Treiben auf der Themse und der Uferpromenade. Jedem, der auf der Themse daran vorbeifuhr oder auf der Uferpromenade daran vorbeispazierte, präsentierte es sich derweil in seiner ganzen Pracht – neun Stockwerke hoch und groß wie ein Wohnblock, mit seiner hellen, prunkvoll verzierten Steinfassade, dem kupfergrünen Dach, den zahlreichen rot-weiß gestreiften Markisen und den auf den Ecktürmchen flatternden Fahnen des Empires.
»Wussten Sie, dass das Savoy das erste Hotel überhaupt ist, das vom Erdgeschoss bis zum Dach elektrifiziert ist?«, fragte Jonathan, während er und seine beiden Begleiter sich mit der Kutsche dem eindrucksvollen Bauwerk näherten. »Es gibt eine elektrische Beleuchtung und elektrische Lifte. Außerdem verfügt fast jedes seiner zweihundertachtundsechzig Zimmer über ein eigenes, mit Marmor ausgelegtes Bad, in dem zu jeder Tages- und Nachtzeit nicht nur kaltes, sondern auch warmes Wasser aus den Hähnen fließt.«
»Sehr schön, sehr schön«, erwiderte Holmes nur. »Mich persönlich interessiert im Augenblick
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