Magierdämmerung 01. Für die Krone - Perplies, B: Magierdämmerung 01 Krone
Gedankens. Jeder Altphilologe, dessen Studium nicht völlig verfehlt war, würde Ihnen bestätigen, Mister Bennett, dass die Suche nach Atlantis, Platons Atlantis, der Jagd nach einem Hirngespinst gleichkommt.«
Bennett schürzte die Lippen. Er wirkte keineswegs überzeugt. »Und dennoch sind wir hier, an Bord der Nautilus , und bewegen uns auf eine ganz bestimmte Stelle des Mittelatlantischen Rückens zu. Ich hatte beinahe zehn Tage Zeit, mir die Frage zu stellen, was Sie dort zu finden hoffen. Ein gesunkenes Schiff? Das müsste dann wohl mindestens Sir Henry Morgans Merchant Jamaica sein, um den Aufwand dieser Reise zu rechtfertigen. Deren letzte Ruhestätte befindet sich allerdings meines Wissens irgendwo vor Haiti. Auch von ähnlich berühmten Wracks will mir keines in den Sinn kommen. Also, was könnte auf den hohen Gipfeln dieses unterseeischen Gebirges verborgen liegen? Viel tiefer vermag die Nautilus , wie Ihnen wohl bewusst ist, nicht zu sinken …« Er ließ die Bemerkung absichtsvoll im Raum schweben.
Ein anerkennendes Lächeln huschte über das strenge Gesicht des Mannes auf der anderen Seite des Tischs, und in seinen stechend rauchgrauen Augen funkelte es vielsagend. »An dieser Stelle wird es interessant, nicht wahr?« Wellington warf seinen Begleitern einen kurzen Blick zu, nicht, um sich deren Einverständnis zu versichern, sondern um ihre Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Dann nickte er Bennett zu. »Na schön! Da wir uns dem Ziel unserer Reise nähern und Sie sich als intelligenter Mann ohnehin bereits das ein oder andere zusammengereimt haben, will ich Ihnen ein wenig mehr über die Hintergründe dieser Expedition verraten.« Er machte eine wohlüberlegte Kunstpause, indem er sein Glas hob und daran nippte. »Platons Geschichte ist nicht ganz und gar seiner zweifellos regen Fantasie entsprungen. Er selbst lässt seinen Redner, den Politiker Kritias, durchaus nachdrücklich die Quellen des Mythos darlegen. Dessen Großvater will von Atlantis durch seinen Vater erfahren haben, der wiederum zeitweilig ein Weggefährte Solons gewesen war. Jenem schließlich soll die Kunde von dieser gewaltigen uralten Zivilisation jenseits der Säulen des Herakles im ägyptischen Sais von einem greisen Priester der Göttin Neith zugetragen worden sein. Es mag Sie erstaunen, mein lieber Bennett, aber diesen Teil der Erzählung bin ich geneigt zu glauben.«
Wellington deutete ein Schulterzucken an. »Natürlich verhält es sich mit dieser Geschichte wie mit allen mündlichen Überlieferungen: Sie verändern sich, werden lebendig und wachsen mit jeder neuen Erzählergeneration. So wird es schon einiges an Verzerrung der Tatsachen gegeben haben, als die Kunde von dem untergegangenen Reich, das Platon dann Atlantis nennen sollte, an die Ohren unseres altgriechischen Philosophen gelangte. Man darf wohl annehmen, dass er das Skelett des ursprünglichen Mythos durchaus fantasievoll und seinen Absichten entsprechend mit Fleisch zu füllen wusste, um einen neuen, einen zweiten Mythos zu schaffen. Was, nebenbei bemerkt, uns heute nur lieb sein kann, denn wäre statt des Gedankenspiels die Wahrheit kolportiert worden, hätte sich die Welt möglicherweise vollkommen anders entwickelt.«
Bennett merkte, dass er sich unwillkürlich vorgebeugt hatte, und er zwang sich, zurück in die Polster des Lehnstuhls zu sinken. Dennoch gelang es ihm nicht ganz, die innere Erregung aus seiner Stimme zu verbannen, die ihn bei Wellingtons Worten ergriffen hatte. »Also, wie darf ich das verstehen? Gibt es Atlantis, oder gibt es Atlantis nicht?«
»Sie sind zu neugierig, Mister Bennett«, warf Hyde-White zu seiner Linken unwirsch ein. Während der Rest der Gesellschaft das Mahl bereits beendet hatte, hatte er sich soeben eine dritte Portion auf den Teller geladen und schaufelte diese in sich hinein. Der Mann war unglaublich hungrig. »Das ist eine ungesunde Eigenschaft.«
Jedem anderen Mann hätte Bennett dieses ungehobelte Betragen mit einer scharfen Zurechtweisung vergolten, aber Hyde-White wurde von einer ständigen Aura des mühsam unterdrückten Zorns umgeben, die Bennett nahelegte, in diesem Fall lieber Vorsicht walten zu lassen.
Stattdessen gebot Wellington seinem Schüler mit erhobener Hand Einhalt. »Mäßigung, Duncan. Ich sagte doch, dass ich ihn einweihen will. Es ist daher sein gutes Recht, Fragen zu stellen.« Er schenkte Bennett ein dünnes Lächeln. »Und um Ihnen selbige zu beantworten: Ja und nein. Platons Atlantis
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