Magierdämmerung 01. Für die Krone - Perplies, B: Magierdämmerung 01 Krone
eisigen Fluten zu steigen. Jeder Funke gesunden Menschenverstandes hätte sie davor warnen sollen, dass sie sich damit in Gefahr bringen würde. Der Lockruf der Magie … , hallte es geisterhaft durch ihr Inneres.
Ihr Großvater räusperte sich. »Nun ja. Also sind wir einfach froh, dass ich vorbeigekommen bin und dass dir nichts geschehen ist. Das soll uns beiden genügen.« Er blickte sie an, und für einen kurzen Moment schienen seine Züge etwas weicher zu werden.
»Ja, das soll uns genügen«, lenkte Kendra ein. Sie blickte ihren Großvater an, und aus einem Aufwallen von Dankbarkeit heraus und einem plötzlichen Bedürfnis nach Nähe trat sie einen Schritt vor und umarmte ihn.
Ein holzgetäfeltes Zimmer, Gestalten in dunklen Roben, ein alter Mann mit gütigem Gesichtsausdruck … Dunholm … London … bald … NEIN!
Ruckartig löste sich Giles von ihr. Für den Bruchteil eines Augenblicks stand in seinen Augen blankes Erschrecken. »Mach das nie wieder!«, warnte er sie heiser und streckte ihr halb abwehrend, halb drohend die rechte Hand entgegen.
»Was?«, fragte Kendra, kaum weniger erschrocken als ihr Großvater.
»Das … eben.« Er gestikulierte fahrig in der Luft herum.
Mehr und mehr hatte Kendra das Gefühl, dass irgendetwas überhaupt nicht stimmte. »Was geschieht hier, Großvater?«
Giles McKellen warf einen raschen Blick auf den trügerisch still daliegenden Waldsee und sah sie dann wieder an. »Nicht jetzt. Nicht hier. Wir reden morgen«, entschied er knapp.
»Aber …«
»Kein Aber!«, herrschte er sie mit unvermittelter Heftigkeit an, und in seinen blauen Augen blitzte es. »Mach endlich, dass du nach Hause kommst!« Er deutete auf Kendras Steinkreis und ihre magischen Utensilien. »Aber räum diesen Unfug auf, bevor du gehst! Ich möchte nicht, dass irgendjemand sieht, dass du hier … Hexerei betreibst … oder das, was du dafür hältst.« Die letzten Worte hatte er in seinen Bart gemurmelt, so als spräche er zu sich selbst.
Kendra presste die Lippen aufeinander. Tränen des Zorns traten ihr in die Augen, aber sie wischte sie mit dem Unterarm weg. Sie weigerte sich, vor diesem launischen alten Mann die Fassung zu verlieren. »Ja, Großvater«, brachte sie mit leicht erstickter Stimme hervor.
Giles McKellen brummte zufrieden. »Gut … Gute Nacht. Und lass dich auf dem Heimweg von niemandem erwischen. Du hast schon genug Ärger.«
»Ja, Großvater.«
Der alte Mann wandte sich um und stapfte in den Wald zurück. Kendra machte sich unterdessen daran, ihre Habe einzusammeln und in den Stoffbeutel zurückzustecken. Nach dem unfreiwilligen Bad im Waldsee war ihr nun kalt, und als wäre das noch nicht genug, kündigte sich hinter ihrer Stirn ein heftiger Kopfschmerz an, als hätte sie, Onkel Callums Vorbild folgend, kräftig einen über den Durst getrunken. Sie wollte nur noch nach Hause und sich die Bettdecke über den Kopf ziehen.
Ganz vermochte ihr Unwohlsein allerdings nicht das Staunen über das zu verdrängen, was ihr in der letzten Stunde widerfahren war. Beinahe wie von selbst kehrten ihre Gedanken zu dem Erlebten zurück, während sie eiligen Schrittes dem schmalen Pfad hinunter zum Dorf folgte. Was war bei dem Ritual bloß passiert? Soweit sie sich erinnerte, hatte sie bei den Vorbereitungen alles so gemacht wie immer, hatten sich ihre Beschwörungsworte in keiner Weise von denen unterschieden, die sie schon in vielen Nächten zuvor ausgesprochen hatte. Die außergewöhnliche Stärke, mit der die Magie diesmal über sie gekommen war, konnte also nicht in ihrem eigenen Handeln begründet sein. Das wiederum ließ nur den Schluss zu, dass die Magie selbst in dieser Nacht … anders gewesen war. In Aufruhr , schoss es Kendra durch den Kopf. Dieses Wort traf es ziemlich genau. Sie hatte noch nie erlebt, dass sich die Magie so unruhig gezeigt hatte, so berstend vor Energien, dass sie beinahe zu explodieren drohte, wie ein Topf mit brodelndem Wasser über dem Feuer, wenn man den Deckel fest darauf drückte.
Kendra war so sehr in Gedanken versunken, dass sie gar nicht daran dachte, vor dem Haus der Witwe Moncreiffe abzubiegen und durch den Coe zu waten. Stattdessen ging sie über die Steinbrücke, und erst als sie die andere Seite schon erreicht hatte, erschrak sie, weil sie erkannte, wie leichtsinnig sie gewesen war.
Rasch sah sie sich um. Die Straße war menschenleer. Niemand hatte sie gesehen. Erleichtert huschte sie auf die Schatten der Gärten hinter der Häuserreihe zu –
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