Magierdämmerung 02 - Gegen die Zeit
niemand von uns«, warf Questing mit leichter Ironie ein.
»Wer wird das Artefakt zur Wahren Quelle bringen, nachdem wir es erschaffen haben?«, fragte der indianische Schamane in getragenem Tonfall.
Die Anwesenden wechselten stumme Blicke, dann richteten sich aller Augen auf Jonathan.
»Ich?«, fragte dieser ungläubig.
»Schauen Sie uns an«, sagte McKellen. »Wir sind alt. Es mag uns die Weisheit gegeben sein, gegen Wellington anzutreten, aber uns fehlt die Kraft der Jugend für eine solche Aufgabe. Sie sind die beste Wahl.«
»Aber ich kann mit dem Artefakt doch gar nicht umgehen. Ist Erfahrung hier denn nicht viel wichtiger?«, wandte Jonathan ein.
»Mitnichten«, widersprach Kendras Großvater. »Sie müssen das neue Siegel nur zur Insel der Wahren Quelle bringen und es dort in den Abgrund werfen. Der Rest liegt in der Hand der Magie selbst. Außerdem tragen Sie den Schlüssel.«
»Den Schlüssel?«
Der alte Magier deutete auf Jonathans Hand. »Dunholms Ring. Er ist der letzte Bestandteil des Artefakts, der es vollendet und seine Kraft bündelt. Ohne ihn ist es nur eine Kugel von enormer magischer Stärke. Mit ihm ist es ein Quellschloss.«
Mit großen Augen starrte Jonathan auf das Kleinod. Das also hatte Dunholm gemeint, als er in der Gasse liegend von dem Schlüssel gesprochen hatte. Kein Wunder, dass ich seine Worte nicht verstanden habe , dachte er. Ich kann nur froh sein, dass ich ihn nicht verloren habe.
Das können Sie in der Tat , vernahm er McKellens Stimme in seinem Kopf. Es ist zwar nicht unmöglich, einen neuen Schlüssel anzufertigen, aber es steckt die Arbeit vieler Jahrzehnte darin. Und nun geben Sie sich einen Ruck, mein Junge. Wir brauchen Sie.
Jonathan warf Kendras Großvater einen Seitenblick zu und sah, dass dieser ihn aufmunternd anlächelte. Er räusperte sich, holte tief Luft und nickte. »Einverstanden, ich mache es.«
»So wollen wir zur Tat schreiten«, sagte McKellen.
Die Magier hoben die Hände und richteten sie auf die Mitte des Pentagramms. Jonathan tat es ihnen gleich. Einige der Anwesenden schlossen die Augen, andere fingen an, in ihrer Muttersprache zu murmeln. Jonathan spürte, wie ein Kribbeln seine Fingerspitzen ergriff, als die Wächter ihn in ihren magischen Kreis einschlossen, und mit einem Mal entstand ein schmaler Streifen aus weiß glitzerndem Licht am Boden zwischen ihnen.
Der Streifen wuchs rasch in die Höhe, bis er übermannshoch war. Eine Wolke winziger Funken umwirbelte ihn kreisförmig wie ein Zyklon. Der indianische Schamane zog eine geschnitzte Statuette aus seiner Jackentasche und hielt sie in das Licht. Sie ging darin auf, und das Licht dehnte sich um einige Fingerbreit, wobei es gleichzeitig an Intensität gewann. Als Nächstes griff Questing in den Ausschnitt seines Hemdes und zog ein kreisförmiges Bronzeamulett hervor, das einen fünfstrahligen Stern zeigte. Auch dieses wurde dem Licht preisgegeben. Der Funkenflug verstärkte sich, und ein elektrisches Summen und Knistern wurde hörbar.
Als die Reihe an McKellen war, dem letzten Magier, bevor Jonathan Dunholms Ring der Lichtsäule übergeben würde, trat dieser einen Schritt vor. Die Säule hatte mittlerweile einen Durchmesser von mehr als zwei Fuß und stand summend und wirbelnd wie ein gewaltiger Schwarm von Bienen in ihrer Mitte. McKellen legte seine Jacke ab und begann sein Hemd aufzuknöpfen.
»Was machen Sie da?«, fragte Jonathan.
»Es gab einen Unfall, mein Junge«, sagte Kendras Großvater, und in seiner Stimme schwang Bedauern mit. »Ich trug das Amulett, das mein Beitrag zur Erschaffung des Quellschlosses sein sollte, auf der Brust, als der Zug, auf dem wir gegen den Attentäter und seine Schergen kämpften, während des magischen Gewitters vom Blitz getroffen wurde. Ich wurde von einem Arm des Blitzes erwischt. Und dabei geschah dies.« Er ließ das Hemd fallen und drehte sich zu Jonathan um.
Dessen Augen weiteten sich. Ein faustgroßes Silberamulett, das von filigranen Runen übersät war, lag mitten in McKellens Brust. Es schien vollständig damit verschmolzen. Nahtlos ging die helle, faltige Haut des alten Magiers in silbrig glänzendes Metall über. Daneben war die genähte Wunde zu sehen, wo Robert die Kugel des Franzosen entfernt hatte. Deshalb also hatte niemand sonst ihm helfen dürfen. Er hatte das Amulett, wahrscheinlich vor allem vor seiner Enkelin, verbergen wollen. »Ich kann es nicht herausnehmen«, sagte Kendras Großvater. »Ich habe es versucht. Es gibt nur
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