Magierdämmerung 02 - Gegen die Zeit
Kinn. »Unter gewöhnlichen Umständen würde ich sagen: Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Klang dieses Horns weiter als fünf Meilen reicht – wenn überhaupt. Da die Umstände aber alles andere als gewöhnlich sind, sollten wir den Worten Ihres Großvaters wohl Glauben schenken und davon ausgehen, dass der Kapitän des Schiffes, von dem er sprach, uns gehört hat.«
»Dann heißt es jetzt also warten, wie mir scheint«, sagte Robert, hob den Kopf ins Sonnenlicht und schloss genüsslich die Augen. Seine Rechte glitt wie von selbst in seine Jackentasche und zog eine getönte Brille hervor, die er mit geübter Bewegung aufsetzte.
In Jonathans Magengrube machte sich ein ungutes Gefühl breit. »Wo hast du denn diese Brille her, Robert?«, fragte er.
Sein Freund wandte ihm langsam den Kopf zu. Seine Augen verschwanden vollständig hinter den dunklen Gläsern. Ein hauchfeines Muster aus Rissen überzog sie, Spuren eines Kampfes. Einen irritierenden Augenblick lang hatte Jonathan das Gefühl, einen anderen Mann vor sich zu haben. Gleich darauf verzogen sich Roberts Lippen zu einem Grinsen, und der Moment war vorüber. »Sie hatte sich in der Knopfleiste meiner Jacke verfangen. Ich muss sie dem Franzosen bei unserem Sturz ins Nichts von der Nase gerissen haben«, erklärte er. »Ich dachte, ich behalte sie als Trophäe. Findest du sie nicht schick?«
»Ich finde sie grauenvoll. Mich überkommt das kalte Schaudern, wenn ich dich so sehe. Wirf sie weg!«
Achselzuckend nahm Robert die Brille wieder ab. »Wenn du es sagst, alter Knabe, sollte ich es wohl tun. Und genau genommen ist sie ja auch kaputt.« Mit einem knappen Ruck seines Handgelenks schleuderte er die Brille über den Klippenrand. Sie fiel in die Tiefe und verschwand.
In der Ferne war erneut der helle Jagdruf des Greifvogels zu hören.
»Was glauben Sie, wann unser Schiff kommt?«, fragte Kendra.
Jonathan richtete seinen Blick wieder hinaus aufs Meer, das glitzernd und schier endlos vor ihnen lag, und seufzte. »Ich habe nicht den blassesten Schimmer.«
»Ob wir trotzdem noch rechtzeitig die Wahre Quelle der Magie erreichen, um sie zu verschließen, bevor Wellington etwas Furchtbares geschehen lässt?«, fragte Kendra sich, während ihre Augen denen von Jonathan folgten.
»Na, das wollen wir doch hoffen«, ließ Robert vernehmen. »Nach all dem, was wir dafür geopfert haben.«
Nevermore schlug krächzend mit den Flügeln, und Rupert gab ein quäkendes Husten von sich.
»Es wird ein Wettlauf, fürchte ich«, murmelte Jonathan. »Ein Wettlauf gegen die Zeit.«
Fortsetzung folgt …
DANKSAGUNG
Eltern mehrerer Kinder und Autoren mehrerer Bücher wissen es: Manch eine Geburt fällt leichter, manch eine schwerer. »Magierdämmerung 2 – Gegen die Zeit« wird mir immer als schwerere Geburt in Erinnerung bleiben. Die Gründe dafür sind vielfältig; einer war sicher der, dass das Buch in meinen Augen zunächst keinen richtigen Anfang und kein Ende hatte, sondern in jeder Hinsicht ein Mittelteil war – und so etwas stört mich normalerweise (wenn auch eigentlich grundlos, denn ich hatte immer geplant, die »Magierdämmerung« als fortlaufende Geschichte in drei Bänden zu erzählen). Dass mir mein jüngster Spross letzten Endes doch ans Herz gewachsen ist, liegt unbestreitbar auch an den anhaltend aufmunternden Worten der feinen Ladies and Gentlemen, die mich mit Rat und Tat auf meiner Reise ins London des ausgehenden 19. Jahrhunderts begleitet haben – und noch immer begleiten.
Vielen von ihnen habe ich bereits am Ende des ersten Bands gedankt. Diese Dankbarkeit empfinde ich nach wie vor, vielleicht sogar noch stärker, denn anhaltende Unterstützung ist letztlich die wertvollste Unterstützung. Daher erhebe ich erneut mein Glas auf Andrea Bottlinger, Olivia Just, Yvonne Staller und Christian Humberg (diesmal wird den Damen, dem Gebot der Höflichkeit entsprechend, der Vortritt überlassen), Testleser und Freunde, die sich in unglaublich kurzer Zeit durch das Manuskript gearbeitet und es mit ihren kritischen Fragen und Anmerkungen verbessert haben. Meine Mutter Marianne Perplies beriet mich bei Bibelungewissheiten. Und für sachdienliche Antworten auf so eigenwillige Fragen wie »Mit wie viel Dynamit sprenge ich ein Haus?« oder »Wie weit spritzt das Blut eigentlich, wenn einem ein Vampir in die Halsschlagader beißt?« danke ich den Experten Stephan Schäfer und Rasmus Schulte-Ladbeck.
Auf herstellungstechnischer Seite gebührt meinen
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