Magierdämmerung 03 - In den Abgrund
echtes Schriftstück von Queen Victoria erhalten. Ich habe eine Tarngeschichte ausgearbeitet, nach der Ihre Urgroßmutter bereits aus Europa zurückgekehrt ist, wir eine Audienz bei ihr erhalten haben und sie unserem Anliegen nicht nur ihr Gehör, sondern auch ihr Verständnis geschenkt hat. Mit einem von ihr signierten Dekret und Ihnen als Überbringerin hat sie uns ausgesandt, um Wellington zurück in die Heimat zu rufen, wo er ihr für sein Handeln Rede und Antwort stehen soll.«
»Wie beabsichtigen Sie diesen Teil Ihres Plans umzusetzen, wenn er unseren Forderungen wirklich Folge leistet und mitkommt?«, wollte Feodora wissen.
Cutler hüstelte. »Darüber werde ich mir Gedanken machen, nachdem Mister Khan den Hypnoseblock daheim in London wieder aufgehoben hat und mir klar geworden ist, dass ich vor einer etwas schwieriger einzulösenden Bringschuld stehe. Der Rest der uns begleitenden Magier kennt jedenfalls nur die von mir soeben vorgetragene Version der Geschichte. Nun bleibt allein, dafür zu sorgen, dass auch wir sie für bare Münze nehmen.«
Die Prinzessin rutschte mit leichtem Unbehagen auf ihrem Platz hin und her. »Solcherlei Spiele mit meinem Kopf mag ich eigentlich nicht. Jedoch muss ich eingestehen, dass Ihre Sorgen berechtigt und Ihre Vorsichtsmaßnahmen klug erscheinen.« Sie schaute zu dem Inder hinüber. »Also, dann bezaubern Sie uns mal, Mister Khan.«
Lächelnd kam dieser ihrer Aufforderung nach.
Keine zehn Minuten später spazierten Cutler und Feodora voller Zuversicht und ohne die geringste Erinnerung an ihr Treffen mit dem Inder auf die Turbinia zu.
»Wo waren Sie denn noch?«, rief ihm Westinghouse von Bord entgegen. »Alle warten schon.«
»Tee«, sagte Cutler und hielt einen Beutel mit einer Darjeeling-Mischung in die Höhe, die er, da war er sich ganz sicher, gemeinsam mit Feodora oben am Strand gekauft hatte. »Ich hatte meinen Lieblingstee im Golden Crown vergessen. Ohne ihn kann ich unmöglich auf Weltreise gehen.«
Der Arzt schüttelte lachend den Kopf. »Sie werden langsam fast so eigenwillig, wie Dunholm es gewesen ist. Man sollte Sie zum neuen Ersten Lordmagier ernennen. Los, kommen Sie an Bord, damit wir ablegen können.«
Kaum dass sie der Aufforderung Folge geleistet hatten, löste Parsons die Leinen, und der Steuermann lenkte die Turbinia in den Strom. Rasch nahm das Turbinenschiff flussabwärts Fahrt auf.
Wellington, wir kommen, dachte Cutler.
kapitel 37:
feinde von innen
»St. Petersburg. Heute Morgen traf der kaiserliche Zug mit Kaiser Franz Joseph von Österreich und seinem Gefolge in St. Petersburg ein. Er wurde vom Zaren, den Erzherzögen und zahlreichen Staatsbeamten mit allen Ehren am Bahnhof empfangen. Unter großem Jubel fuhr Seine Majestät zum Winterpalast, wo der Kaiser während seines Besuchs residieren wird. Dort wurde ein Salut aus einunddreißig Kanonen abgefeuert. Für den Abend ist ein großes Bankett geplant.«
– Wiener Zeitung, 27. April 1897
27. April 1897, 11:22 Uhr GMT (10:22 Uhr Ortszeit)
Atlantik, Inselgruppe der Azoren, Insel Corvo
»Danke, dass Sie so schnell gekommen sind, Signora Diodato.« Hauptmann von Stein nickte Lionida zu, als sie die Treppe zur Brücke der Gladius Dei emporkam.
»Sie haben mir erfolgreich das Gefühl gegeben, dass es wichtig wäre«, erwiderte die Magieragentin. Als sie sich umsah, fiel ihr auf, dass außer von Stein nur noch Scarcatore mit seinem Köfferchen anwesend war. Es ging also um etwas, das nicht für die Ohren der gewöhnlichen Mannschaft oder ihrer britischen Gäste bestimmt war.
»Nun ja, so ist es auch.« Der Deutsche straffte sich und setzte eine ernste Miene auf. »Signore Scarcatore und ich sind der Ansicht, dass wir das Verhör dieses Briten Carlyle schon viel zu lange hinausgezögert haben. Verständlicherweise war am gestrigen Tag nach der Entdeckung dieser … Magiequellenabnormität unser aller Bedarf an unerfreulichen Begebenheiten gedeckt. Doch die Reparaturen an der Gladius Dei sind beinahe abgeschlossen, und bevor wir abfliegen, möchte ich diese leidige Angelegenheit hinter mir haben.«
»Ich verstehe «, sagte Lionida mit neutraler Miene. »Ich nehme an, Sie bedürfen meiner Dienste, um Carlyles Gedanken zu durchsuchen.« Ihre Begeisterung darüber hielt sich nach wie vor in Grenzen.
Von Stein schüttelte den Kopf. »Nein, wir haben wahrscheinlich eine wirksamere Methode gefunden, um ihn zum Sprechen zu bringen.«
»Tatsächlich? Dürfte ich fragen, wie selbige aussieht?«
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