Magierdämmerung 03 - In den Abgrund
wahrscheinlich an Deck versammeln, aber den Gefallen, sich auf offenes Gelände zu begeben, würde er ihnen nicht tun. Sie würden ihn schon holen müssen, wenn sie seiner habhaft werden wollten.
Als er sich der Treppe näherte, die tiefer in den Bauch des Schiffes führte, kam ihm der hünenhafte Afrikaner entgegen. Er wirkte nicht so, als hätte er bereits begriffen, was vorgefallen war. Der Franzose ging in die Knie und schleuderte dem schwarzen Riesen ein Fadennetz entgegen, das sich um seine Beine wickelte. Dieser stolperte und krachte mit einem überraschten Ausruf zu Boden. Im nächsten Augenblick war der Attentäter über ihm und rammte ihm das Messer in den Hals. Als er es schwungvoll wieder herauszog, spritzte das Blut bis an die Wand. Er hatte die Halsschlagader erwischt. Der Mann war so gut wie tot. Einer weniger , dachte er, als er an dem Gefallenen vorbeitrat und seinen Weg fortsetzte.
»Und dann nehmen Sie Faden, Mister Kentham, und wirbeln ihn um sich herum, bevor sie ihn Gegner wieder entgegenschleudern«, sagte Meister Fu. Sie befanden sich oben auf dem in Nebel gehüllten Deck des fliegenden Schiffes, und obwohl Kendra noch unterwegs war, um Robert etwas von ihrem Mittagessen vorbeizubringen, war Jonathans Neugierde so groß gewesen, dass er Fu gedrängt hatte, ihm schon vorab den ›besonderen Trick‹ zu zeigen, den er sie heute lehren wollte. »Versuchen wir es. Schießen Sie Fadenbündel auf mich ab.« Der Asiat machte eine einladende Geste.
Jonathan trat in die Wahrsicht über, um Fus Kampfmanöver möglichst genau beobachten zu können. Dann leistete er der Aufforderung Folge und schickte dem anderen Mann ein Fadenbündel entgegen. Schnell wie eine zupackende Schlange zuckte die Hand des Asiaten nach vorne und lenkte das Fadenbündel ab. Statt es jedoch harmlos ins Leere laufen zu lassen, schlossen sich seine Finger um die Fäden, die andere Hand griff ebenfalls zu, er wirbelte um die eigene Achse, zog das Fadenbündel dabei in eine enge Kurve und gab ihm dann einen Stoß, um es auf Jonathan zurückzuschleudern. Das Ganze vollzog sich binnen eines Lidschlags, und Jonathan war so verblüfft, dass er zu spät die Hand hob, um seinen eigenen Angriff abzuwehren. Er wurde mit einem Schlag gegen den Brustkorb bestraft. Der Schmerz minderte sein Staunen jedoch nicht im Geringsten. »Das ist fantastisch!«, rief er aus.
»Ja«, pflichtete ihm Fu bei. »Es ist machtvoller Trick, denn man wendet Zorn des Gegners gegen ihn, ohne eigene Kraft aufzuwenden.«
»Das müssen Sie mir beibringen.«
»Das habe ich vor.«
In diesem Augenblick stürzte Kendra an Deck. »Jonathan!«, rief sie. »Der Franzose ist wieder da. Sein Geist ist irgendwie mit Mister Penningtons Körper verschmolzen, und jetzt hat er die Kontrolle übernommen. Er hat mich angegriffen.«
»Was?«, entfuhr es Jonathan. Das ist doch unmöglich , hätte er noch vor einer Woche hinzugefügt. Aber seit ein Teil von Angus Drummond in ihm weiterlebte, wusste er aus eigener Erfahrung sehr gut, dass so etwas wie Geistverschmelzung durchaus möglich war. Und Robert hatte unter irgendetwas gelitten, seit er sich in die Klinge des Franzosen gestürzt und diesen mit sich in die Sphäre der Magie gerissen hatte. Offenbar waren diese Beschwerden keine simplen Begleiterscheinungen der erwachenden Magie seines Freundes gewesen.
»Wir müssen sofort etwas unternehmen«, drängte Kendra. »Ich fürchte, er hat es auf das Quellschloss abgesehen.«
»Ja, Sie haben recht.« Jonathan blickte zu Fu hinüber. »Meister Fu, würden Sie uns begleiten? Wir müssen den Holländer unterrichten.«
Dieser nickte, und zu dritt eilten sie hinauf zum Steuerrad, an dem ihr Gastgeber stand und in die Wolken hinausstarrte, als könne er sehen, was dahinter lag. Mit raschen Worten wiederholte Kendra, was ihr soeben widerfahren war. »Er ist eine Gefahr für uns und unsere Aufgabe«, schloss sie. »Wir müssen ihn so schnell wie möglich aufhalten.«
Der Gesichtsausdruck des Holländers wurde noch finsterer als gewöhnlich. »Ich stimme Ihnen zu. Einen verrückten Attentäter kann ich hier an Bord überhaupt nicht gebrauchen .« Mit einigen geübten Handgriffen befestigte er das Steuerrad. »Wir teilen uns auf, um ihn schneller zu finden. Kentham, Sie gehen mit Meister Fu. Kendra, Sie begleiten mich.«
»Wir müssen aufpassen«, warnte Jonathan. »Der Franzose ist gerissen und schnell.«
»Keine Sorge, Mister Kentham. Ich bin auch nicht ganz unbewandert in … «
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