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Magierdämmerung 03 - In den Abgrund

Magierdämmerung 03 - In den Abgrund

Titel: Magierdämmerung 03 - In den Abgrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Perplies
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das Messer, das in seinem Mantel steckte. Ein feuchter Fleck breitete sich an der Stelle aus. »So ein Mist«, murmelte er tonlos.
    »Sie sind verletzt!«, rief Diodato erschrocken.
    »Nein.« Randolph zog das Messer aus dem Mantel, griff ins Innere und holte seinen durchbohrten Flachmann hervor. »Aber der hier ist hinüber.«
    »Der gute Whiskey … «, entfuhr es Holmes bedauernd.
    Hinter ihnen kamen Hauptmann von Stein und seine Soldaten auf die Brücke geeilt. »Hervorragend«, urteilte der deutsche Offizier. »Wie ich sehe, haben Sie den Dreckskerl gestellt.«
    Diodato nickte. »Wobei diese beiden Herren uns eine große Hilfe waren«, bekannte sie mit Blick auf Holmes und Randolph. »Wir sind Ihnen zu Dank verpflichtet.«
    Holmes war sich nicht ganz sicher, aber er glaubte, so etwas wie widerwillige Anerkennung in ihren dunklen Augen zu entdecken. Die Vorstellung gefiel ihm außerordentlich. Ohne auf seine Schmerzen zu achten, richtete er sich auf und strich seine Jacke glatt. Ein selbstbewusstes Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. »Es war uns ein Vergnügen, Signora.«
    25. April 1897, 20:02 Uhr GMT (12:02 Uhr Ortszeit)
    Vereinigte Staaten von Amerika, Kalifornien,
Yosemite-Nationalpark
    Seit 1879 unweit des Mariposa Grove das Wawona Hotel eröffnet worden war, kamen Urlauber nach Yosemite, um am Ufer des Mono Lake zu kampieren, ehrfürchtig die riesenhaften Sequoia-Bäume zu betrachten oder in den Bergen zwischen Half Dome und Cathedral Rocks klettern zu gehen. Auch die zahlreichen Wasserfälle, etwa die in drei Stufen über beinahe zweieinhalbtausend Fuß herabstürzenden Yosemite Falls oder der einen eigentümlichen Bogen beschreibende Nevada Fall unterhalb des Liberty Cap gehörten zu den Naturwundern, die wanderfreudige Naturfreunde in Staunen versetzten.
    Keiner dieser Besucher ahnte auch nur, dass das vielleicht größte Wunder von Yosemite den Augen zufällig Vorbeikommender durch eine weiß schäumende Wand aus Wasser entzogen war. Hinter dem dichten, rauschenden Wasservorhang des Nevada Fall, etwa achtzig Fuß unterhalb der Fallkante, verbarg sich eine kleine Höhle. Ihr Eingang war kaum zu entdecken, wenn man nicht gezielt danach suchte. Und selbst wenn man ihn gefunden hatte, gab es im Grunde keine Möglichkeit, das vielleicht sechs Fuß durchmessende Loch im Fels zu erreichen. Das Gestein war an der Stelle so schroff und glitschig, dass selbst geübte Kletterer einen Bogen darum geschlagen hätten.
    Wovoka kümmerten solche Hindernisse nicht. Er kannte die Höhle, seit Questing sie ihm vor einem halben Jahrzehnt gezeigt hatte, und besuchte sie etwa ein halbes Dutzend Mal im Jahr, um dort zu meditieren oder mit dem Zirkel der Wächter der Wahren Quelle zusammenzukommen. Questing hatte das Innere der Höhle seinerzeit recht prosaisch als eine der sieben dauerhaften Magiespalten auf dem nordamerikanischen Kontinent bezeichnet. Für Wovoka hingegen war es ein Platz, an dem er der schöpferischen Urkraft der Magie so nahe sein konnte wie nirgendwo sonst. Es war ein Ort höchster Gefahr und höchster spiritueller Erfüllung.
    Nachdem der Paiute-Seher sich auf dem Gipfel des El Capitan von Haba dem Präriehasen verabschiedet hatte, war er ein paar Schritte vom Rand des Granitfelsens zurückgetreten, um nicht zufällig von Wanderern gesehen zu werden. Danach hatte er seine Fadenaura so manipuliert, dass er für normale Augen unsichtbar wurde, und hatte sich mit geübten Bewegungen an Fadenbündeln die Steilwand abgeseilt. Hätte er mehr Zeit gehabt, hätte er womöglich den Wildnispfad ins Tal hinab genommen, dem er auch auf dem Hinweg gefolgt war. Doch die etwa fünf Meilen lange Wanderung das Yosemite Valley hinauf bis zum Nevada Fall dauerte für sich genommen schon lange genug. Daher hatte er sich dieser Abkürzung bedient.
    Wieder sichtbar und arglos wie ein gewöhnlicher Wanderer war er am Ufer des Merced River entlanggelaufen. Seine Hautfarbe hatte ihm zwar ein oder zwei neugierige Blicke von anderen Parkbesuchern eingebracht, doch Wovoka, der unter den Weißen seiner Heimat auch als Jack Wilson bekannt war, hatte lange auf der Farm einer christlichen Siedlerfamilie gearbeitet, sodass er weder in Kleidung noch in Auftreten Urängste vor dem wilden Roten Mann weckte. Also hatte man einander nur höflich gegrüßt und war danach weiter seiner Wege gegangen.
    Über einen kleineren, steilen Wanderpfad, der Wovoka zunächst am tiefer gelegenen Vernal Fall vorbeigeführt hatte, war er hinauf

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