Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Magierdämmerung 03 - In den Abgrund

Magierdämmerung 03 - In den Abgrund

Titel: Magierdämmerung 03 - In den Abgrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Perplies
Vom Netzwerk:
ihrem Träger den Beistand der Ahnen sichern sollten. Genau genommen handelte es sich allein um religiöse Artefakte ohne tatsächliche magische Wirkungsmacht. Aber die Tradition und Wovokas Verehrung der Ahnen ließen ihn sie dennoch anlegen.
    Anschließend beförderte er einen Bund Räucherwerk aus weißem Salbei zutage und entzündete ihn. Der starke Duft des getrockneten Krautes reinigte und klärte seine Gedanken. Der Paiute-Seher stimmte einen leisen, monotonen Singsang an, ein altes, einfaches Lied, das ihm sein Vater beigebracht hatte und das ihm half, seinen Geist den ursprünglichen Energien dieses Ortes zu öffnen.
    Fast unbewusst glitt er in die Wahrsicht über. Die Magie jenseits der nun als züngelndes Band erkennbaren Grenze brannte beinahe so hell wie die Sonne, und Myriaden wimmelnder Fäden durchzogen den endlosen Raum, der jenseits der Wirklichkeit existierte. Doch Wovokas Geist war bereit. Das Chaos der Sphäre der Magie, das ein ungeübtes Bewusstsein überwältigen mochte, konnte ihn nicht schrecken.
    Langsam, beinahe schlafwandlerisch manipulierte er die ihn umgebenden Fäden, so wie Questing es ihm beigebracht hatte. Nahezu unmerklich begannen die Dinge um ihn herum ihre Farbe zu verlieren, wurden unscharf und verzerrten sich. Das Rauschen des nahen Nevada Falls veränderte sich, wurde irgendwie heller und weniger dumpf. Nein, es war überhaupt nicht mehr das Geräusch der ins Yosemite Valley hinabstürzenden Wassermassen, sondern ein neues, das von dem halbstofflichen Kraftschild herrührte, das sich nach oben spitz zulaufend wie ein Tipi um Wovoka legte.
    Der Paiute stand auf. Das Schutzzelt war nun beinahe fertig. Doch statt es im Boden zu verankern, wie es viele der anderen Mitglieder des Zirkels an den magischen Orten in ihrer Heimat wohl getan hätten, breitete er die Arme aus und verband sich mit dem luftigen Flirren. Anschließend trat er über die Grenze in die Sphäre der Magie. Nichts passierte. Er hatte das Schutzritual ohne Fehler gewirkt.
    Noch immer leise singend begab sich Wovoka bis zur Spitze der Felsnadel. Zu seinen Füßen brodelte das Wolkenmeer, und keine zwanzig Fuß entfernt zuckte ein grüner Blitz klirrend durch eine der Energiesäulen. Bedächtig befestigte Wovoka das Schutzzelt. Nun folgte der schwierige Teil des Rituals.
    Genau wie am Tag zuvor befand er sich jetzt in einem eigenartigen körperlichen Zwischenzustand, gleichzeitig in der Höhle hinter dem Nevada Fall und an einem beliebigen Ort innerhalb der Sphäre der Magie. Wäre ein anderes Zirkelmitglied anwesend gewesen, hätten sie sich im Geiste finden und zueinander hinziehen können, bis sie den gleichen Raum teilten. Wovoka horchte in die Unendlichkeit der Sphäre hinein, forschte nach den Zeichen der Anwesenheit eines anderen Magiers. Einen flüchtigen Moment lang glaubte er, eine andere Präsenz wahrzunehmen. Aber ihr haftete etwas derart Fremdartiges und Chaotisches an, dass der Magier sich rasch vor ihr zurückzog. Man sagte, es gäbe Leben in der Sphäre der Magie, aber es war kein Leben, wie man es auf der Erde kannte, und der Paiute hegte kein Bedürfnis, es auf seine Anwesenheit aufmerksam zu machen.
    Ich sollte mich lieber beeilen, schoss es ihm durch den Sinn. Jeder Augenblick in der Sphäre der Magie barg Gefahren, einige bekannt, andere vollkommen unvorstellbar. Je schneller er das Ritual beendete, desto besser.
    Mit klopfendem Herzen zog er den Steindolch hervor. Es war eine ganz besondere Waffe. Wovoka konnte nicht sagen, wie es Questing gelungen war, sie zu erschaffen, aber sie vermochte Risse im Gewebe der Wirklichkeit selbst zu öffnen, Risse, die entweder in die Sphäre der Magie führten oder aus ihr hinaus. Diese von Menschenhand herbeigeführten Magiespalten waren höchst flüchtig. Länger als zwei oder drei Minuten hatten sie nicht Bestand. Er würde sich beeilen müssen, wenn er sie für eine Reise an einen anderen Ort nutzen wollte.
    Wovoka atmete tief ein, schmeckte die Erinnerung des weißen Salbeis, der noch immer am Eingang zur Magiespalte brannte, und trat in die zweite Sphäre ein, die Sphäre der Gedanken. Er überlegte, wohin er seine Schritte lenken wollte. Die Vision hatte ihm ein Schiff gezeigt, also musste er an die Ostküste, vermutlich zu einer der großen Hafenstädte, New York beispielsweise. Ja, New York fühlte sich richtig an. Allerdings war er nicht imstande, direkt dorthin zu reisen. Er brauchte eine starke Magiequelle oder eine beständige Magiespalte, um den

Weitere Kostenlose Bücher