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Magierdämmerung 03 - In den Abgrund

Magierdämmerung 03 - In den Abgrund

Titel: Magierdämmerung 03 - In den Abgrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Perplies
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Übertritt zu schaffen. Providence, dachte er. In der Stadt am oberen Ende der Narragansett Bay gab es eine geeignete Stelle, ein altes Haus am Rand eines Parks. Er hatte es einmal vor drei Jahren mit Questing besucht.
    Der Paiute-Seher sammelte seine Gedanken und konzentrierte sich darauf, den Ort vor seinem geistigen Auge heraufzubeschwören. Er sah den dunklen Kellerraum mit dem schimmernden Becken, das dort eigentlich nicht hätte sein dürfen. Unheilige Symbole bedeckten die Wände, Erinnerungen an einen vor Jahren verstorbenen Hexer, der an diesem Ort sein Unwesen getrieben hatte. Immer klarer wurde das Bild vor seinen Augen, und als er den Keller beinahe körperlich wahrzunehmen glaubte – feucht, kalt und muffig riechend – , hob Wovoka das Messer und zerschnitt die Sphäre der Magie, bildete einen Riss, durch den er in die Wirklichkeit zurückkehren konnte.
    Jenseits des Risses huschte ein Kaleidoskop von Bildern vorbei, mögliche Orte überall auf der Welt. Doch Wovoka beachtete sie gar nicht, sondern steckte den Dolch weg, hob entschlossen die Hände und verband die Fäden seiner Finger mit dem Gedanken an den Keller, den er in seinem Geist geformt hatte. Behutsam zog er ihn aus seinem Kopf hervor. Dumpfer Schmerz setzte hinter seiner Stirn ein. Das Bewusstsein trennte sich nicht gerne von seinen Teilen. Wovoka schob die Empfindung beiseite und entnahm das Bild.
    Mit einer raschen Bewegung presste er den bläulichen Dunst, der nun nicht mehr zu ihm gehörte, in den Riss hinein. Gleichzeitig öffnete er sich der Magie noch weiter und tauchte in die dritte Sphäre ein. Myriaden winzigster Fäden begannen um ihn herum zu wimmeln, als der Stoff, aus dem die Wirklichkeit selbst bestand, in einem rötlichen Glühen um ihn herum sichtbar wurde. Wovoka bediente sich der geisterhaften Erinnerung des Kellers und zwang die in dieser Sphäre formbare Realität, sich wie eine Glasur über das geistige Abbild zu legen, eins mit ihm zu werden, den Gedanken buchstäblich Wirklichkeit werden zu lassen.
    Er spürte, wie sich das Gefüge der Welt verhärtete und verdichtete, nachdem die Sphäre der Magie den Ausgang aus sich selbst gefunden hatte, der zu dem Zwang, den Wovoka ihr auferlegt hatte, passte. Und als der Paiute sich in die Normalsicht zurückfallen ließ, sah er durch den Riss den Keller des besagten Hauses in Providence.
    An den Rändern begann sich der Riss bereits wieder zu schließen, zusammenzuwachsen und zu verschwinden, als hätte es ihn nie gegeben. Ihm blieb nicht mehr viel Zeit. Er hatte einen Durchgang geschaffen, der ihn eine Entfernung von Hunderten von Meilen quer durch die Vereinigten Staaten mit einem Schritt überwinden ließ. Wenn er allerdings einen Fehler gemacht hatte, würde es seinen Körper binnen eines Lidschlags in die endlosen Tiefen der Magie zurückreißen. Während des Quellschlossrituals hatte er an Questing gesehen, was einem drohte, wenn man überstürzt eine Körperreise durch die Sphäre der Magie antrat. Nichtsdestoweniger muss ich es versuchen, dachte er. Ich habe keine andere Wahl.
    Wovoka straffte sich, hob den Kopf und trat aus dem Schutzzelt durch die Magie in den Riss.

kapitel 30:
    der sturm
    »Sofia. Bulgarische Aufrührer unter der Führung eines bekannten Widerständlers haben die Grenze nach Mazedonien überschritten. Weitere Rebellengruppen sammeln sich im Grenzgebiet. Man geht davon aus, dass sie sich mit der ersten Gruppe vereinen wollen. Alle Berichte über eine allgemeine Mobilmachung der bulgarischen Armee entbehren hingegen laut einer halboffiziellen Stellungnahme aus Regierungskreisen jeder Grundlage.«
    – London Times, 25. April 1897
    Keine Zeit.
    Irgendwo.
    Ich bin nicht mehr ich. Ich bin nicht länger Elisabeth. Wer bin ich? Was bin ich? Und wer oder was hat mir das angetan?
    Ohne Ziel und ohne Orientierung trieb Elisabeth durch die Sphäre der Magie. Ihr grauer Körper war zerschunden, ihr helles Kleid zerfetzt und die lederartigen, schwarzen Schwingen auf ihrem Rücken bewegten sich mit der Unbeholfenheit eines jungen Vogels, der gerade erst flügge geworden war. Während ihre Blicke unstet hin und her schweiften, immer auf der Suche nach einem Ausweg aus dieser Welt des puren, elementaren Chaos, drifteten Gedanken durch ihren gesplitterten Verstand, mal klar und deutlich an die Oberfläche ihres Bewusstseins gespült, dann wieder in die finsteren Tiefen ihres Ichs hinabgezogen, an den Ort, wo der Wahnsinn nistete und darauf wartete, von Elisabeth

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