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Magierdämmerung 03 - In den Abgrund

Magierdämmerung 03 - In den Abgrund

Titel: Magierdämmerung 03 - In den Abgrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Perplies
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Megaira, der rechtschaffene Zorn, und Tisiphone, die Vergeltung Suchende. Ja, diese letzte passte zu ihr. Tisiphone. Ich bin Tisiphone!
    24. April 1897, 23:47 Uhr GMT (22:47 Uhr Ortszeit)
    Atlantik, etwa 750 Seemeilen südwestlich von England
    Eine gute Stunde vor Mitternacht hatte das Unwetter die Gladius Dei erreicht. Heftige Böen umwehten den riesigen Luftschiffkörper und Regen prasselte, vom Wind beinahe waagerecht übers Meer getrieben, gegen die Fenster der Gondel. Wetterleuchten erhellte die dunklen Wolken am Himmel, aber sie waren so weit entfernt, dass sie keine Bedrohung für Schiff und Besatzung darstellten.
    Von Stein hatte sich auf die zurückeroberte Brücke begeben, um zu befehlen, das Luftschiff in die vorherrschende Windrichtung zu drehen und dem Sturm auf diese Weise so wenig Angriffsfläche wie möglich zu bieten. Das würde sie zwar zeitweilig von ihrem eingeschlagenen Kurs abbringen, aber das war einer Beschädigung der Traggashülle in jedem Fall vorzuziehen. Die Übrigen – Randolph, Holmes, Signora Diodato, Signore Scarcatore und Miss Potts – saßen erneut im Salon. An Schlaf war trotz der fortgeschrittenen Stunde nicht zu denken. Zu frisch war die Aufregung um den Ausbruch von John Grayson Carlyle.
    Randolph wandte den Blick vom Fenster ab, durch das man ohnehin nur Schwärze und abperlende Regentropfen sehen konnte, und schaute zu Holmes hinüber, der seinerseits so unverhohlen Miss Potts anstarrte, dass diese unbehaglich auf ihrem Platz hin und her zu rutschen begann. Der Magier hatte ein Bein über das andere geschlagen, die Ellbogen auf den Armlehnen seines Korbsessels abgestützt und die Finger zusammengelegt. Er wirkte wie ein Psychiater, der einen Patienten abzuschätzen versucht. Seine im Kampf davongetragenen Verletzungen hatten sich im Übrigen als unbedeutend herausgestellt. Von ein paar Prellungen am Rücken abgesehen, war es Carlyle nicht gelungen, ihm größeren Schaden zuzufügen. Der dicke Tweedstoff von Holmes’ Jacke hatte Schlimmeres verhindert.
    Der Leiter für Äußere Angelegenheiten dagegen befand sich, soweit Randolph wusste, nach wie vor unter strenger Bewachung im Krankenzimmer, wo Kaplan Tremore, der neben seiner Funktion als Bordgeistlicher auch als Arzt diente, dafür sorgte, dass er diesmal ruhig gestellt blieb, bis man ihn befragen wollte. Randolph bezweifelte, dass solch eine Befragung nennenswerte Früchte hervorbringen würde, aber er war der Letzte, der von Stein davon abhalten würde, den selbstherrlichen und intriganten Carlyle mit deutschen Verhörmethoden vertraut zu machen.
    »Wissen Sie was?«, sagte Holmes unvermittelt an Potts gerichtet. »Ich gratuliere Ihnen.«
    »Wozu?«, fragte die ehemalige Sekretärin Lord Cheltenhams.
    »Dass es Ihnen gelungen ist, den gesamten Orden des Silbernen Kreises zu narren. Ich selbst habe Sie stets für nicht mehr als eine – verzeihen Sie den Ausdruck – graue Maus gehalten. Dass sich unter dieser unscheinbaren Fassade eine Spionin des Vatikans verbarg, nötigt mir Respekt ab. Sie sind schlauer, als ich dachte.«
    Potts’ Stirn kräuselte sich, und Randolph konnte sich gut vorstellen, dass sie sich gerade fragte, ob es Holmes soeben gelungen war, sie gleichzeitig zu loben und zu beleidigen. »Nun … danke«, erwiderte sie. »Aber ich muss Sie enttäuschen, fürchte ich. Eine Agentin wie Lionida … Miss Diodato … bin ich wahrlich nicht. Meine Aufgabe bestand lediglich darin, meine Augen und Ohren offen zu halten und dann und wann einen Bericht nach Rom zu schicken. Ich habe niemals geheime Ordensunterlagen ausspioniert, wenn es das ist, was Sie sich vorgestellt haben.« Sie stockte kurz und neigte in einer Art Selbsteingeständnis den Kopf. »Also, abgesehen von den Unterlagen über die Wahre Quelle der Magie in Lord Wellingtons Büro, in die ich einen Blick geworfen habe, als ich sie vor der Räumung der Unteren Guildhall eingepackt habe.«
    »Wenn Sie mich fragen, meine liebe Emma, haben Sie damit genau den richtigen Zeitpunkt gewählt, um von einer schlichten Beobachterin zu einer richtigen Spionin zu werden«, warf Diodato ein. »Ohne Ihre Hilfe würde es uns deutlich schwerer fallen, die Wahre Quelle zu finden.«
    »Dann hoffen wir mal, dass die Koordinaten stimmen und wir nicht am Ende an irgendeinem gottverlassenen Eiland mit einer einsamen Palme ankommen«, brummte Randolph.
    »Oh, mit dem gottverlassenen Eiland liegen Sie gar nicht so falsch, mein lieber Brown«, merkte Holmes an. »Nur auf eine

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