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Magierdämmerung 03 - In den Abgrund

Magierdämmerung 03 - In den Abgrund

Titel: Magierdämmerung 03 - In den Abgrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Perplies
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Wilson? Ihr Indianer habt doch eure ganz eigene Beziehung zu übernatürlichen Begebenheiten.«
    Wovoka erwiderte den Blick ungerührt. »Ich weiß nichts über diese Dinge«, sagte er schlicht. »Aber ein kluger Mann beobachtet die Welt stets mit wachen Sinnen und einem offenen Geist. So gelingt es ihm, Wunderbares zu entdecken, wo andere nur Gewöhnliches sehen, und Gefahren zu entrinnen, denen andere zum Opfer fallen. Und nun entschuldigen Sie mich bitte. Ich habe bereits einen langen Tag hinter mir und möchte etwas ruhen, solange ich Gelegenheit dazu habe.«
    Bevor einer der Männer Wovoka in ein weiteres Gespräch verwickeln konnte, lehnte er sich auf seinem Platz zurück und zog seinen Hut tief ins Gesicht. Seine Worte waren nicht einmal eine Lüge gewesen. Nach der durchwachten Nacht und der anstrengenden Reise durch die Sphäre der Magie senkte sich nun bleierne Müdigkeit auf seine Glieder. Auch wenn die Geschichten von Franklin und Boon ihn durchaus beunruhigten, da sie – so sie denn der Wahrheit entsprachen – zeigten, dass die Auswirkungen der stärker werdenden Magie immer deutlicher zutage traten, gab es nichts, was er dagegen unternehmen konnte. Mir bleibt nur eins , dachte Wovoka, so schnell wie möglich zur Quelle zu reisen. Und bis dahin all meine Kräfte zu sammeln.
    25. April 1897, 22:04 Uhr GMT (21:04 Uhr Ortszeit)
    Atlantik, etwa 1300 Seemeilen westlich der Meerenge von Gibraltar (unweit der Azoren)
    Die untergehende Sonne des scheidenden Tages im Rücken und gehüllt in ihren fadenmagischen Tarnmantel kroch die angeschlagene Gladius Dei der Insel Corvo entgegen. Randolph stand am Fenster des Salons und schaute auf den kaum mehr als drei Meilen durchmessenden grünen Felsen hinab, der sich aus dem Blau des Atlantiks erhob. Dabei stützte er sich auf einen Stock, den ihm Kaplan Tremore gegeben hatte, damit er sein verletztes Bein entlasten konnte, wenn er sich schon weigerte, Bettruhe einzuhalten, wie er es eigentlich sollte.
    Hinter Randolph kam jemand in den Raum hinein, und als er sich umdrehte, sah er Emma Potts, die mit einem kleinen Buch in der Hand im Türrahmen zum Salon stand. Ihrer überraschten Miene nach zu urteilen hatte sie nicht damit gerechnet, jemanden hier vorzufinden. »Oh«, entfuhr es ihr. »Ich störe Sie … «
    »Nein«, brummte Randolph. »Ich schaue mir nur unser neues Versteck an. Und was ist mit Ihnen?«
    »Ich … « Potts drehte verlegen das Buch in den Händen, eine Bibel, wie der Kutscher erkannte. »Ich wollte die Bordkapelle besuchen.« Sie deutete auf den hinteren Bereich des Salons, der durch eine hauchdünne, holzfarbene Stoffwand abgetrennt war.
    Das Abbild eines alten Mannes zierte die falsche Wand; er trug ein kleines Kind auf den Schultern durch ein Gewässer – Randolph nahm an, dass es sich dabei um den Sohn Gottes handelte. Der Ausdruck auf den Zügen des Mannes wirkte ein wenig leidvoll. Randolph konnte es ihm nicht verdenken. Ich weiß genau, wie du dich fühlst. Die Last der Welt auf den Schultern und unter einem nichts als Wasser … Er zuckte die Achseln. »Lassen Sie sich von mir nicht abhalten, Miss Potts.«
    Lord Cheltenhams ehemalige Sekretärin zögerte einen Moment, sodass sich Randolph fragte, ob sie sich befangen fühlte, wenn er während ihres Gebets im gleichen Raum war. Doch dann straffte sie die Schultern, durchquerte den Raum und verschwand hinter der Faltwand. Raschelnd verrichtete sie irgendwelche zeremoniellen Vorbereitungen. Anschließend begann sie auf Lateinisch leise vor sich hin zu murmeln.
    Mit einem unterdrückten Schnauben wandte Randolph seine Aufmerksamkeit wieder dem Geschehen vor dem Fenster zu, doch ihre Ankunft auf Corvo zog sich hin, und so schweiften seine Gedanken sogleich wieder ab. Er fragte sich, wie Potts gleichzeitig eine Magierin und gläubige Katholikin sein konnte. Sind wir für die katholische Kirche nicht alle Ketzer? Dienen wir nicht dem Teufel, indem wir Magie anwenden? Randolph hatte keine Ahnung, ob die Gottesmänner im Vatikan wirklich so über ihn und seinesgleichen dachten. Aber selbst wenn dem so gewesen wäre, hätte es ihn nicht gestört. Schließlich war er selbst im Gegenzug auch kein großer Freund der Kirche und schon gar nicht der katholischen, die sich in seinen Augen äußerlich so salbungsvoll gab und innerlich so verrottet war.
    Irgendwie allerdings musste es Menschen wie Emma Potts und Kaplan Tremore gelingen, diese beiden gegensätzlichen Pole – Glauben und Magie – in sich zu

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