Magiermacht (Mithgar 05)
Wissens liegt. Aber eines glaube ich: Der Große Schöpfer hat den Geist in allen Dingen, in Felsen, Strömen, Bäumen, Vögeln, Tieren, Fischen … In allen Kreaturen von Land und Wasser und Luft, so wie Er auch die Sonne und den Mond und die Sterne und das Licht und die Dunkelheit gemacht hat, alles. Daher glaube ich, dass Seine Schöpfung auch Adon, Gyphon und die anderen umfasst, die wir Götter nennen. Ich glaube, dass Lebewesen mit einer besonderen Gabe, Sterbliche wie Unsterbliche gleichermaßen, diesen Geist in ihren Herzen und Seelen fühlen können, während andere Wesen diese große Aura an Dingen spüren.«
»Aura?« Beau sah Rael fragend an. »Was ist diese ›Aura‹?«
Rael lächelte. »Einige nehmen sie als schwachen Glanz wahr, andere als astrales Feuer. Es ist nur ein äußerliches Zeichen des Großen Schöpfers, ein Zeichen von dem, was Er schafft.«
Doch Beau war noch nicht zufrieden. »Und Er schafft auch böse Dinge?«
Rael nickte. »Allerdings, Herr Beau. Einige seiner Kreaturen sind bösartig. Viele sind auch gütig, aber die meisten sind weder gut noch böse, sondern existieren einfach nur. Ihre Wirkung auf andere wird manchmal vom Zufall bestimmt, dann wiederum von der Absicht derer, die sie für Gutes oder Schlechtes benutzen. Ihr habt gefragt, Herr Beau, warum der Große Schöpfer auch böse Kreaturen schafft. Ich glaube, dass Er weder Gut noch Böse kennt, sondern einfach nur die Schöpfung. Es obliegt den Kreaturen selbst, jedenfalls denen, die dazu in der Lage sind, frei zu wählen, welchen Pfad sie gehen, den dunklen oder lichten Weg.
Natürlich ist das nur meine Überzeugung. Andere würden meine Behauptungen gewiss anfechten und erklären, dass alles vorherbestimmt ist und der Große Schöpfer dies weiß. Es gibt genügend derer, die sagen, dass kein Lebewesen eine freie Wahl hat.
Wieder andere glauben, wie Phais hier, dass Er einige Dinge erschuf, während andere Wesen, welche über die Macht dazu verfügen, wiederum andere Dinge aus ihnen schaffen.
Dann gibt es noch die, welche die Existenz eines Großen Schöpfers rundweg abstreiten. Sie sagen, alles Sein verliefe nach Gesetzen, die wir zwar nicht verstehen könnten, die aber nichtsdestoweniger wahr wären. Gesetze, denen selbst Adon, Elwydd, Gyphon ebenso unterliegen wie alle anderen.«
Rael schwieg. Tipperton und Beau schüttelten seufzend die Köpfe. Dann deutete der Müller mit der Hand auf Phais. »Ich glaube wie Ihr, Lady Phais, dass wir Dinge aus dem schaffen können, was Adon und Elwydd uns gaben. Ob sie selbst wiederum die Schöpfung des Großen Schöpfers benutzt haben, um Adonar und Mithgar zu formen, weiß ich nicht. Ebenso wenig wie ich sagen kann, ob Gyphon die Neddra und die Lebewesen dort erschuf.« Dann wandte sich Tipperton an Rael. »Aber ich glaube auch an etwas, was Ihr gesagt habt, Lady Rael. Es gibt eine Kraft, einen Geist, eine Macht in allem, sei es ein Felsen, ein Baum, ein Strom oder was auch immer. Denn auch, wenn ich es nicht sehen kann, so spüre ich es doch. Und wenn diese Dinge, die ich fühle, Beweis für die Existenz des Großen Schöpfers sind, dann muss es Ihn tatsächlich geben.«
Rael nickte Tipperton zu. Erneut griff Talarin zur Weinflasche und füllte die silbernen Kelche mit dem dunklen Wein aus Vanchan nach. »Wir sind ein wenig von unserem ursprünglichen Thema abgekommen«, sagte er. »Möchtet Ihr noch etwas fragen?«
Beau wechselte einen kurzen Blick mit Tipperton, bevor er sich an Phais wandte. »Lady, Ihr sagtet etwas von einer großen Debatte und einer Spaltung.«
Phais trank einen Schluck Wein und nickte dann. »Allerdings. Dies war die Debatte, die dazu führte, dass einige Rassen frei lebten, andere dagegen gebunden blieben.«
»Gebunden?«, erkundigte sich Tipperton. »Worum ging es denn in dieser Debatte?«
Phais deutete auf die Gobelins. »Vor langer Zeit gab es in Adonar eine gewaltige Auseinandersetzung über die Einmischung der Götter in das Leben der niederen Kreaturen. Die beiden mächtigsten Gottheiten, Adon und Gyphon, stritten sich erbittert. Adon stand auf dem Standpunkt, dass die Götter diejenigen zerstören würden, die sie kontrollierten. Gyphon dagegen wandte ein, dass die Götter das Recht hätten, zu tun, was ihnen beliebte. Adon war sehr beredt. Er führte an, dass die Götter allen Kreaturen einen freien Willen gewähren sollten. Denn waren sie nicht Wesen, die ein Recht auf ein Leben hatten, das nur das Schicksal beeinflussen sollte? Der
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