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Magische Insel

Titel: Magische Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L. E. Modesitt
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die Dolchscheide am Gürtel.
    »Was meinst du mit ›stark‹?« fragte Cassius mit seiner tiefen Stimme.
    Wrynn betrachtete die glänzenden Dielenbretter aus schwarzer Eiche, dann Krystal und schließlich Myrten, der sich noch tiefer in die Ecke drückte. Myrten schien sich immer in eine Ecke zu verziehen, aus der er alles beobachten konnte.
    Im Raum herrschte Schweigen.
    »Ihr wisst, was ich meine, Magister Cassius. Das ist nur Wortklauberei«, sagte Wrynn mit harter Stimme.
    Ich stimmte ihrer Beurteilung von Cassius zu. Alle Magister und Meister spielten mit Worten und verdrehten ihre Bedeutung so, dass sie mehr verbargen als enthüllten.
    »Beruhige dich«, sagte Cassius beschwichtigend. »Du fühlst, dass Stärke wichtig ist. Welche Art von Stärke? Soll man einen Schläger bewundern? Würdest du eine zierliche Frau verachten, weil sie Hilfe braucht, um einen Dieb aufzuhalten?«
    »Ich bewundere Schläger keineswegs. Ich halte allerdings nicht viel von Menschen, die Diebstahl oder Angriffe herausfordern. Und ich mag keine Diebe.« Jedes Wort klang wie ein Peitschenhieb. Wrynn blickte Myrten an, der die Augen niederschlug.
    »Du fühlst also, dass Ordnung ausschließlich auf Stärke und Selbstdisziplin beruhen sollte?«
    »Ich weiß, was ich fühle.« Jetzt funkelte Wrynn den Magister an.
    »Schon gut.« Cassius lachte sogar etwas. Dann wendete er sich mit ernstem Gesicht an Krystal. »Und was ist mit dir, du Frohnatur? Warum weigerst du dich, Ordnung Aufmerksamkeit zu schenken – oder irgendeiner anderen Sache?«
    Krystal blickte Cassius nicht einmal an, sondern kicherte nur und spielte weiter mit der langen schwarzen Haarsträhne.
    »Krystal!« Die tiefe Stimme klang so kalt, dass ich unwillkürlich schauderte.
    Krystal blickte zu Boden. »Es … es hilft doch nichts, aufzupassen. Die Dinge ereignen sich trotzdem. Denken hält sie nicht auf«, sagte sie leise.
    Wrynn schnaubte laut.
    »Dann stimmst du Wrynn zu, dass nur Gewalt dem Bösen Einhalt gebieten kann?«
    »Manchmal.« Krystal schaute mich an.
    »Was meinst du, Lerris?«
    Ich wünschte, sie hätte diese unausgesprochene Bitte nicht geäußert und vor allem, dass Cassius sie nicht verstanden hätte. Ich hustete und überlegte, was Krystal wirklich gemeint hatte. »Nun ja … manchmal sieht es so aus, als könnten vollkommen gute Menschen gegen das Böse nichts ausrichten … und manchmal …« – ich dachte an den Bäcker – »scheinen Menschen bestraft oder aus Recluce verbannt zu werden, nur weil sie irgendeiner unsichtbaren oder unausgesprochenen Norm nicht entsprechen. Ich finde es ungerecht, dass sie bestraft werden, nur weil sie etwas nicht verstehen oder nicht stark genug sind.«
    »Denkst du, dass das Leben im Grund ungerecht ist? Oder dass die Bruderschaft die Verpflichtung hat, einem einzelnen gegenüber gerecht zu sein, wenn diese Gerechtigkeit die Sicherheit von ganz Recluce bedroht?«
    »Eine derartige Bedrohung habe ich noch nicht gesehen, wohl aber, dass Menschen, die nicht schlecht waren, bestraft oder verbannt wurden.«
    Cassius lächelte traurig und blickte zu Krystal, die sich jedoch immer noch weigerte aufzuschauen, dann zu Wrynn, die ihm trotzig in die Augen starrte, und wieder zu mir. In der Ecke leckte sich Myrten die Lippen.
    »Ist es ein Recht oder ein Privileg, in Recluce zu leben?« Cassius’ Frage hing wie ein Zauberspruch in der Luft.
    »Eurer Meinung nach ist es ein Privileg, und wir müssen uns bestimmten Bedingungen unterwerfen«, sagte ich. »Das ist gut und schön, aber niemand erklärt uns die Gründe für diese Bedingungen. Beachte die Regeln! Halte Ordnung und verbanne das Chaos! Und stell keine Fragen, die wir nicht beantworten wollen!«
    »Ich nehme an, du findest die Erklärungen unzureichend.«
    »Stimmt. Das denke ich, und ich glaube, die meisten in diesem Raum ebenfalls.«
    »Aha … der Kaiser trägt keine Kleider«, sagte Cassius leise mit weicher Stimme.
    Keine Kleider? Welcher Kaiser? Welche Kleider?
    »Dieses … Philosophieren … ist ja sehr inspirierend. Aber wie bereitet es uns auf die Gefahrenbrigade vor?« Tamra war aufgestanden. Ihre Stimme klang schneidend.
    »Setz dich, und ich werde es erklären. Wahrscheinlich wird mir keiner von euch glauben, aber ich werde es trotzdem sagen.«
    Tamra setzte sich. Ich zuckte mit den Schultern, Wrynn ebenso.
    Cassius wartete, bis Ruhe eingekehrt war.
    »Eigentlich ist es ganz einfach«, begann er. »Gegen vollkommene Ordnung ist die Chaos-Magie fast machtlos.

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