Magische Insel
gelehnt und beobachtete, wie die weißen Schäfchenwolken am östlichen Himmel sich langsam rosig und grau färbten. Ich wollte herausfinden, ob ich das Muster hinter den Wolken entdecken konnte, wenn ich versuchte, hinter ihre Oberfläche zu sehen.
Wieder sah ich die schwachen Schemen der Hitzeschlieren, die ich bei den seltsamen Bruderschaftschiffen gesehen hatte, aber bei den Wolken waren sie natürlich. Ich wusste nicht, wieso ich den Unterschied wahrnehmen konnte. Aber ich konnte es. Nach einiger Zeit taten mir die Augen weh. Ich schloss sie und lauschte.
Es waren noch andere Gruppen von Gefahrenbrigadieren in der Nähe. Wir trafen uns in den Unterkünften und unterhielten uns manchmal beim Abendessen. Sie waren nicht viel anders als wir. Allerdings schienen sie besser in Form zu sein und wirkten irgendwie distanziert. Freundlich, verständnisvoll, aber distanziert.
Zwei saßen auf einer Bank auf der anderen Seite der Hecke. Ihre Stimmen drangen herüber.
»… Brysta, haben sie gesagt …«
»Wenigstens ist es nicht Hamor …«
»Hamor ist besser als Candar … Heim der Chaos-Meister … Hamors Kaiser schätzt etwas Ordnung …«
Cassius hatte erwähnt, dass Candar der chaotischste der größeren Kontinente sei. Tamra hatte als Grund dafür die Tatsache erwähnt, dass er Recluce am nächsten liege und es ein Gleichgewicht geben müsse. Cassius hatte die Stirn gerunzelt, sie aber nicht verbessert. Das hieß, sie hatte recht.
Aber das war auch ein alter Hut. Die Chaos-Magier hatten von Frven in Candar aus fast die gesamte Welt beherrscht – bis sie eine neue Sonne am Himmel geschaffen hatten und die meisten Gebäude und Menschen der Hauptstadt wie Wachs geschmolzen waren. Obgleich das alles vor vielen Generationen geschehen war, hatten sich die Menschen offenbar nicht sehr verändert.
»Darf ich mich zu dir setzen?«
Ich zuckte zusammen und öffnete die Augen.
Die melodische Stimme gehörte Krystal.
»Klar … ich bin aber nicht sonderlich unterhaltsam.«
»Dann sind wir schon zu zweit.« Sie setzte sich mit untergeschlagenen Beinen im Abstand einer Elle ins Gras. Sie hatte das lange Haar mit Silberschnüren hochgebunden. Wenn sie nicht kicherte oder mit den Haaren spielte, sah ich sie gern. Sie war so anmutig wie Tamra, aber ohne deren Hochmut. Ich vermutete, dass hinter ihrem Kichern mehr Stärke steckte, als wir ahnten.
Bimmmm … Das Glockenspiel des Tempels rief die Mitglieder der Bruderschaft zur freiwilligen abendlichen Meditation. Ich hatte keine Lust. Mir war aufgefallen, dass Magister Cassius auch niemals teilnahm.
Krystal rührte sich nicht, aber die beiden Männer auf der Bank jenseits der Hecke standen auf.
»Wahrscheinlich schicken sie Dankgebete zum Himmel, weil sie nach Brysta und nicht nach Candar geschickt werden«, platzte ich heraus.
»Wohin werden sie uns schicken?«
»Candar«, meinte ich.
»Meistens hast du recht … wenn es um Fakten geht …« Sie blickte auf das Gras.
Ich richtete mich auf. Der Baum und der Boden waren hart. Die Wolken über dem östlichen Horizont wirkten jetzt grau. Der Wind aus dem Westen hatte aufgefrischt und zauste mein Haar. Der Dufthauch einer bittersüßen Orange stieg mir in die Nase.
»Was wird mit uns geschehen?«
Ich zuckte mit den Achseln. »Keine Ahnung. Irgendwie sind wir ein seltsamer Haufen, aber ich schätze, dass alle Gefahrenbrigadiere so sind. Myrten ist ein Dieb, aber wie er sich so lange halten kann … Wrynn ist tatsächlich eine Soldatin und gehört zum Grenzschutz. Sammel ist Missionar in einem Land, das bereits den Glauben hat, dass Mitgefühl nicht wichtiger ist als Ordnung. Tamra hasst Männer, und die Hälfte der Welt ist männlich. Dorthae … ich weiß nicht …«
»Und du?«
»Ich?« Wieder zuckte ich mit den Achseln. Ich wollte nicht über mich reden. »Wie Cassius sagt: Ich langweile mich schnell. Und was ist mit dir?«
»Ich glaube, dass du dich langweilst, weil du alles wissen willst, es aber nicht zugeben kannst.«
Bimmmm … Der zweite Glockenschlag des Tempels zeigte an, dass die Meditation begonnen hatte.
»Was ist mit dir?« fragte ich nochmals.
»Ich?« Krystal kicherte.
Ich verzog das Gesicht.
»Du magst es nicht, wenn ich kichere.«
»Stimmt.« Ich blickte über ihre Schulter hinüber zu dem kleinen Garten dicht vor der Mauer. Dorthae und Myrten saßen auf einer Bank und spielten Karten. Logisch. Myrten hatte immer eine Idee, jemanden übers Ohr zu hauen.
»Ich wurde zwangsverpflichtet, weißt
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